Kapitel 5: Das Vermächtnis von Atlantis
Dunkelheit umschloss sie, als die Zeit wieder ihren Lauf nahm. Lyra, Solan, Kai und Imhotep fühlten, wie sich die Welt um sie herum verzerrte – ein unsichtbarer Schleier, der die Grenzen der Wirklichkeit aufzulösen schien. Der Strudel der Zeit zog sie mit unaufhaltsamer Kraft durch die Jahrtausende, jeder Versuch, ihn zu stoppen, blieb vergeblich.
Plötzlich kam die Bewegung zum Stillstand. Die Luft war kühl, erfüllt von salzigem Meeresduft. Das rhythmische Donnern der Wellen, die sich an den schroffen Felsen brachen, hallte in ihren Ohren wider. Sie standen an einer zerklüfteten Küste, deren Klippen steil und majestätisch in den Himmel ragten. Der Horizont war vom tiefen Blau des Himmels verschluckt, während die untergehende Sonne die Szenerie in flammendes Gold tauchte. In der Ferne erhob sich die Silhouette einer prächtigen Stadt, deren hohe Türme im letzten Licht des Tages leuchteten. Ihre Mauern schimmerten in goldenen und violetten Tönen, als ob sie mit der Energie der untergehenden Sonne verschmolzen.
„Willkommen in Atlantis“, flüsterte Imhotep. In seiner Stimme klang eine Mischung aus Ehrfurcht und Stolz mit, als ob er einen lang verlorenen Schatz wiederentdeckt hätte. „Dies ist der Ursprung allen Wissens und aller Macht. Hier begann das Mysterium, das die Geschichte der Menschheit für immer verändern sollte.“
Lyras Atem stockte. Die atemberaubende Schönheit der Stadt zog sie in ihren Bann. Ihre Kleidung hatte sich mit der Zeit verändert – statt der einfachen Leinengewänder trugen sie nun prächtige Tuniken, verziert mit feinen goldenen Mustern, die Wohlstand und Weisheit symbolisierten. Das goldene Armband, das sie immer getragen hatte, pulsierte jetzt sanft. Geheimnisvolle Zeichen, wie geisterhafte Runen, schimmerten darauf, als ob sie die Macht in ihr widerspiegelten.
„Eine andere Zeit, ein anderes Leben“, murmelte Kai, während seine Hand über den Speer glitt, der ebenfalls von der Energie der Zeit durchdrungen schien. „Aber warum sind wir hier? Was genau suchen wir?“
„Atlantis ist mehr als nur eine Stadt“, begann Imhotep, während er langsam auf die glitzernde Metropole zuging. „Es ist das Herz des alten Wissens. Doch tief in seinen Mauern verbirgt sich ein Artefakt von unvorstellbarer Macht – das wahre Omnifaktum. Ein Schlüssel, der die Geheimnisse der Zeit entschlüsseln kann.“
„Und dieses Artefakt ist hier?“ Solans Augen weiteten sich vor Spannung.
Imhotep nickte. „Die Atlanter wussten, dass ihre Zeit begrenzt war. Sie verbargen das Omnifaktum und überließen es denjenigen, die bereit waren, den Preis für wahre Macht zu zahlen.“
Ein leichtes Vibrieren in ihrem Armband ließ Lyra innehalten. Der vertraute Puls, wie ein Herzschlag, war zurück. Eine Stimme – kaum mehr als ein Flüstern – sprach direkt in ihren Geist: „Finde den Ursprung der Zeit und die Wahrheit über das Omnifaktum. Nur dann wirst du die wahre Macht verstehen.“
„Was ist los?“ Kai sah sie fragend an.
„Das Armband“, antwortete sie zögernd. „Es spricht wieder. Es scheint, als müssten wir tiefer gehen, um Antworten zu finden.“
„Dann gibt es keinen Grund zu zögern“, sagte Solan entschlossen. „Lass uns herausfinden, was diese Stadt verbirgt.“
Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Der Klang ihrer Schritte hallte über die gepflasterten Straßen wider, die von imposanten Tempeln und schimmernden Statuen flankiert wurden. Jeder Stein, jede Struktur atmete eine Aura von Weisheit und Macht. Die Gesichter der Bewohner – klug und unnahbar – folgten ihnen mit Blicken, die mehr wussten, als sie preisgaben. Es war, als ob die Stadt selbst ihre Ankunft erwartet hätte.
„Dort vorne“, sagte Imhotep und zeigte auf ein massives Gebäude, das selbst in dieser prächtigen Umgebung hervorstach. „Das ist der Tempel des Wissens. Dort liegt der Schlüssel, den wir suchen.“
Als sie sich dem Tempel näherten, wurde die Energie spürbar intensiver. Lyras Armband pulsierte stärker, fast wie eine Einladung. Mit zitternder Hand drückte sie die schweren Türen auf. Ein Schwall kühler Luft empfing sie, und die Dunkelheit wurde von den flackernden Lichtern der Fackeln durchbrochen. Die Wände waren mit kunstvollen Reliefs bedeckt, die Götter, Menschen und uralte Geheimnisse zeigten. Die Darstellungen erzählten von Weisheit, die über Jahrtausende weitergegeben worden war.
„Hier“, sagte Imhotep leise und deutete auf eine Statue im Zentrum des Raumes. Sie stellte eine majestätische Gestalt dar, maskiert und mit einem Ausdruck, der Weisheit und Macht ausstrahlte. Um die Statue herum waren Symbole und Hieroglyphen eingemeißelt, die in einem Muster angeordnet waren, das sich dem Verstand entzog.
„Der Hüter des Wissens“, erklärte Imhotep. „Er bewacht das Omnifaktum. Nur diejenigen, die die Wahrheit erkennen, können es erlangen.“
„Und worin besteht diese Wahrheit?“ fragte Kai, während sein Blick die geheimnisvollen Symbole musterte.
„Die Wahrheit liegt in uns selbst“, sagte Solan ruhig. Er trat näher an die Statue heran, seine Stimme fest. „Das Omnifaktum offenbart sich nur denen, die den Mut haben, sich ihren tiefsten Ängsten zu stellen.“
Das Armband an Lyras Hand begann heftiger zu pulsieren. Die Luft um sie herum schien dichter zu werden, elektrisiert von einer Kraft, die sie kaum begreifen konnte. Eine Stimme flüsterte: „Nur durch Erkenntnis wirst du bestehen.“
Mit entschlossenem Blick trat sie vor. Die Wände des Tempels begannen leicht zu vibrieren, und plötzlich öffnete sich ein geheimer Gang, der tiefer ins Herz von Atlantis führte. Die Dunkelheit darin wirkte einladend und furchteinflößend zugleich – wie ein Versprechen und eine Warnung. Und so betraten sie den Weg, der sie zu den Ursprüngen der Macht führen sollte.