Willst du E-Mails auch träumen?
Willkommen in der Produktionsstätte des Wahnsinns Du wachst auf. Das Erste, was du tust, ist nicht etwa, die Augen zu öffnen oder die Sonne auf deiner Haut zu spüren. Nein, deine Finger tasten verzweifelt nach deinem Smartphone, das in der Dunkelheit des Nachttisches lauert wie ein hungriger Raubtier. Die grelle Blaulicht-Bombe trifft deine Netzhaut, und da ist es: eine E-Mail. „Dringend“ steht im Betreff. „Können wir bis 9 Uhr klären?“ Aber es ist 6:30 Uhr. Willkommen in der „Produktionsstätte“ deines Lebens.
Dein Bett, einst ein Zufluchtsort der Ruhe, hat sich in eine Filiale deines Home-Offices verwandelt. Die Kissen? Deine Server. Die Decke? Ein WLAN-Signal. Deine Pyjamahose ist noch zerknittert, aber das hindert dich nicht daran, gedanklich schon in der Konferenz zu sein, obwohl du gleichzeitig noch versuchst, dich an diesen bizarren Traum von letzter Nacht zu erinnern. Es war irgendwas mit einem riesigen Excel-Sheet, das dich gejagt hat.
Schauplatz: Die allmächtige Küche Du schaffst es in die Küche. Deine Kaffeemaschine, eine treue Dienerin, brummt vor sich hin. Aber was ist das? Während du darauf wartest, dass das schwarze Gold fließt, ploppt schon die nächste Nachricht auf deinem Handy auf: „Könntest du die Präsentation noch überarbeiten?“ Du fragst dich, ob du nicht besser „Präsentations-Assistent“ statt Mensch heißen solltest.
Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee kitzelt deine Nase, doch die pure Existenz dieses Moment—dieses friedlichen Kaffeeschlürfens—wird von einer Teams-Benachrichtigung sabotiert. „Ping!“ Es ist Sandra aus der Buchhaltung. Sandra, die irgendwie immer zur unpassendsten Zeit auftaucht. „Könntest du mal kurz?“ Aber natürlich, Sandra. Lass mich mein Leben pausieren, um deine Excel-Tabellen zu retten.
Das „Traum“-Büro im Wohnzimmer Dein Wohnzimmer, liebevoll dekoriert mit einer Pflanze (die aussieht, als hätte sie bessere Tage gesehen), ist dein neues Büro. Du sitzt in Jogginghose und einem Hoodie, der eindeutig schon vor dem letzten Lockdown bessere Tage gesehen hat. Dein Laptop flackert, der Akku signalisiert, dass er am Ende seiner Energie ist. Genau wie du.
Dein Chef ruft an. „Wir müssen die KPIs pushen“, sagt er, als wäre das die Antwort auf alle existenziellen Fragen des Lebens. Du nickst, obwohl er dich nicht sehen kann. „Ja, klar, pushen wir“, antwortest du mit der Begeisterung eines Schlaflosen. Aber in deinem Kopf denkst du: „Was sind KPIs nochmal?“
In der Produktionshalle der Freizeit Es ist 18:00 Uhr. Theoretisch wäre jetzt Feierabend. Praktisch bedeutet das nur, dass du deine Arbeits-E-Mails vom Laptop aufs Handy transferierst. Du beschließt, einen Spaziergang zu machen, weil es „gesund“ sein soll. Aber statt Vogelgezwitscher hörst du: „Ping!“. Die E-Mail. Die E-Mail, die immer da ist, wie ein Stalker in einem schlechten Thriller.
Du denkst kurz daran, die E-Mail zu ignorieren. Aber was, wenn es wichtig ist? Was, wenn die Welt untergeht, weil du nicht rechtzeitig geantwortet hast? Und so bleibst du mitten auf dem Gehweg stehen, während eine Joggerin mit neonfarbenen Schuhen dich irritiert anblickt. Sie sieht aus, als hätte sie ihr Leben im Griff. Du fragst dich, ob sie wohl auch E-Mails träumt.
Das Finale: Ein Traum von Freiheit Du liegst im Bett. Endlich. Die Welt ist still. Dein Handy liegt auf dem Nachttisch, aber du kannst spüren, wie es dich anstarrt. Du bist müde, aber dein Gehirn hat andere Pläne. Es zieht dich zurück in den Alptraum deines Excel-Traums. Diesmal ist es nicht nur ein Excel-Sheet, sondern ein PowerPoint mit Animationen. Es dreht sich. Es leuchtet. Es will deine Seele.
Du wachst schweißgebadet auf. Und dann… eine Idee. Was, wenn du die E-Mails einfach nicht beantwortest? Was, wenn du einen Tag lang die Welt die Welt sein lässt? Aber dann ploppt wieder eine Nachricht auf deinem Handy auf. Diesmal von Sandra. „Können wir morgen kurz quatschen?“
Fazit Du bist nicht allein. Wir sind alle in dieser absurden Produktionsstätte gefangen, die sich „Work-Life-Balance“ nennt. Vielleicht müssen wir den Wahnsinn einfach umarmen und uns daran erinnern: Es sind nur E-Mails. Und am Ende des Tages? Sandra kann auch warten.
„Träume nicht dein Leben, sondern beantworte deine E-Mails.“ – Niemand jemals