Du stehst da. Schon wieder. Der Kaffee in deiner Tasse ist kalt, aber du trinkst ihn trotzdem – allein schon aus Trotz. Die Büroräume um dich herum könnten glatt als Kulisse für einen schlecht bezahlten Indie-Film durchgehen: Graue Wände, steriles Licht, und irgendwo summt der alte Drucker vor sich hin, als wolle er die Symphonie deiner Frustration begleiten. Dein Chef? Ach, der sitzt in seinem Glaskasten und tut so, als wäre er der CEO eines Milliardenunternehmens. Dabei hast du ihn gestern noch dabei erwischt, wie er heimlich die Rechnung für den Bürokaffee prüfen ließ. Wahrscheinlich, um zu sehen, ob er einen Cent sparen kann.
Du trägst heute dein bestes Pokerface, kombiniert mit einem dunkelblauen Blazer, der dir ein wenig mehr Autorität verleihen soll, als du dich gerade fühlst. Deine Kolleginnen und Kollegen? Sie huschen mit gesenktem Blick an dir vorbei, jeder bemüht, unsichtbar zu bleiben. Keiner will die nächste Zielscheibe sein. Willkommen im Alltag eines Büros, in dem der Chef zwar den Mund aufmacht, aber niemals wirklich Rückgrat zeigt.
Die Kunst des Nichtstuns – Chef-Edition
Erinnerst du dich an den Moment, als du dachtest, dein Chef würde dich unterstützen? War es, als du deinen brillanten Vorschlag zur Prozessoptimierung eingereicht hast, und er nur nickte? Ja, genau – dieses bedeutungslose, monotone Nicken, das ungefähr so viel Energie hatte wie ein schlafendes Faultier. Aber dann, ein paar Wochen später, als der Vorschlag auf wundersame Weise in der großen Abteilungsbesprechung auftauchte? Oh ja, da war er plötzlich sein Vorschlag.
Während du versuchst, deine explodierende Wut hinter einem gezwungenen Lächeln zu verbergen, lehnt er sich zurück und klopft sich gedanklich selbst auf die Schulter. Du fragst dich, wie jemand so selbstgefällig sein kann, ohne sich dabei die Zunge zu verschlucken.
Gesichter, die Geschichten erzählen
Schau dir die Gesichter deiner Kollegen an. Da ist der Neue in seinem schicken Anzug, frisch gebügelt, mit einem Lächeln, das noch nicht weiß, wie schnell es von der Realität abgeschmirgelt wird. Und da ist Sabine aus der Buchhaltung, die schon seit 15 Jahren hier ist. Ihr Gesichtsausdruck schreit: „Bitte sprich mich nicht an.“ Sie trägt heute ein farbenfrohes Tuch um den Hals, ein verzweifelter Versuch, dem tristen Büroalltag etwas Leben einzuhauchen. Und dann bist da noch du – ein Gesicht zwischen Resignation und Hoffnung, irgendwo zwischen „Ich kündige morgen“ und „Vielleicht wird’s ja doch noch besser.“
Die Meeting-Hölle
Du sitzt im Meetingraum. Die Luft ist stickig, und die Fenster? Natürlich nicht zu öffnen. Dein Chef betritt den Raum, trägt eine perfekt gebügelte Hemd-Krawatten-Kombination, aber sein Gesichtsausdruck ist genauso farblos wie die Wände. „Lasst uns mal ein Brainstorming machen“, sagt er, und du weißt genau, was das bedeutet: Er wird eure Ideen stehlen und anschließend behaupten, es sei seine Genialität gewesen.
Das Meeting endet, wie es begann – ohne Ergebnis, ohne Plan, aber mit einem schlechten Gefühl in der Magengegend. Du fragst dich, ob dein Chef nachts wirklich schlafen kann. Wahrscheinlich schon, denn Rückgrat und schlechtes Gewissen scheinen bei ihm nicht im Lieferumfang enthalten gewesen zu sein.
Die Fluchtfantasie
In solchen Momenten träumst du davon, alles hinzuschmeißen und etwas völlig Abwegiges zu tun. Vielleicht eine kleine Bar auf Mallorca eröffnen, wo die Sonne immer scheint und das Bier niemals leer wird. Oder du stellst dir vor, wie du mitten im nächsten sinnlosen Gespräch einfach aufstehst, die Kaffeetasse in Zeitlupe über den Schreibtisch gleiten lässt und mit den Worten „Das war’s, Leute“ den Raum verlässt. Aber dann kommt die Realität zurück – die Miete, die Rechnungen, die endlosen Verpflichtungen. Und du bleibst. Noch.
Der Moment der Erkenntnis
Aber irgendwann kommt er – dieser Moment. Der Moment, in dem du erkennst, dass du mehr bist als die Spielwiese eines unfähigen Chefs. Dass dein Talent, deine Kreativität und deine Energie nicht verschwendet werden müssen. Vielleicht ist es der Moment, als du nach Feierabend an einem kleinen Straßencafé sitzt, der Duft von frisch gemahlenem Kaffee in der Luft, und die Kellnerin dir ein freundliches Lächeln schenkt. Vielleicht ist es auch der Moment, als du diesen Text liest und merkst, dass du nicht allein bist.
„Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Wissen, dass es da draußen mehr gibt, als das, was dich klein hält.“