Kapitel 96: Die Flüsse der Zeit
Die Dunkelheit der Pariser Straßen verschmolz mit den Schatten der Dämmerung. Die Guillotine war ein Mahnmal für den Zerfall der menschlichen Moral, und dennoch wirkte sie wie ein unermüdlicher Wächter über die Revolution. Solan rollte die Karte zusammen, deren Text in kryptischen Symbolen zu schimmern begann. Lyra hielt inne, das Artefakt an ihrem Handgelenk pulsierte schwach in einem kupfernen Licht, das sich wie feine Äderchen über die Oberfläche bewegte.
„Es zieht uns weiter“, sagte sie, ihre Stimme leise, aber entschlossen.
Kai, dessen Augen von den Wirren des Tages schwer wirkten, nickte. „Aber wohin? Und wann?“
Mit einem sanften Vibrieren zog eine unsichtbare Macht die Gefährten zusammen. Die Welt um sie herum schien zu zerfließen wie eine unruhige Spiegelung auf Wasser. Gerüche von Schießpulver und feuchtem Gras erfüllten die Luft, bevor sie sich wieder festigte – diesmal inmitten eines pulsierenden Schlachtfeldes.
Die englisch-französischen Kriege
Der Nebel lichtete sich, und das Brüllen der Kanonen und das Dröhnen von Hufschlägen überfluteten die Umgebung. Sie standen mitten in der Schlacht von Waterloo. Die Armeen von Napoleon und Wellington trafen aufeinander, während die Erde unter den Füßen der Soldaten bebte.
„Die Zeitlinie hat sich erneut verändert“, murmelte Solan und deutete auf die blutigen Banner, die in den Wind peitschten. „Napoleon… Er sollte verlieren. Aber das hier fühlt sich nicht richtig an.“
Lyra griff instinktiv nach ihrem Artefakt, das sich in dieser Epoche zu einem filigranen Anhänger mit eingelassenem Kristall gewandelt hatte. „Wir müssen herausfinden, was verändert wurde.“
Sie bewegten sich durch die wirbelnde Menge. Kai, dessen überlebenskünstlerische Fähigkeiten erneut glänzten, nutzte die Verwirrung, um unbemerkt an den Wachen vorbeizuschleichen. Myria Dunkelmond ließ den Nebel dichter werden, während Sira sich in einen Falken verwandelte, um von oben den Überblick zu behalten. Seraphine Veyra schloss die Augen und empfing eine Vision – ein Bild von Napoleon, der von einer dunklen Macht beeinflusst wurde.
„Er trägt einen Ring“, flüsterte Seraphine. „Ein Artefakt, das ihm übermenschliche Stärke verleiht. Wir müssen ihn davon befreien.“
Die Schlacht um das Schicksal
Inmitten des Chaos fanden die Gefährten ihren Weg zu Napoleons Zelt. Die Szenerie war von scharfen Kontrasten geprägt: goldene Embleme gegen blutgetränkte Stoffe, Triumphgefühle, die durch den Gestank von Angst und Tod getrübt wurden. Als sie eintraten, erblickten sie den Kaiser – kleiner, als die Legenden es beschreiben, aber mit einer Präsenz, die den Raum beherrschte. Der Ring an seinem Finger schimmerte unheilvoll.
„Wer seid ihr?“ Napoleons Stimme war wie Stahl. „Ihr gehört nicht hierher.“
„Wir sind die Wächter der Zeit“, antwortete Lyra und hob ihr Artefakt, das in Resonanz mit dem Ring zu pulsieren begann. „Dieser Ring zerstört das Gleichgewicht.“
Napoleon zog ein Schwert – keine gewöhnliche Waffe, sondern eine Klinge, die wie aus der Dunkelheit selbst geschmiedet schien. Der Kampf war unvermeidlich. Selena Arinthal formte blendende Lichtbögen, die Napoleon kurzzeitig blinzelnd zurückweichen ließen, während Kai seine Dolche geschickt einsetzte, um den Kaiser zu entwaffnen.
Am Ende war es Solan, der Napoleons Ring abstreifte und das Artefakt zerstörte. Der Kaiser fiel zu Boden, und die Zeit begann erneut zu flimmern.
Zurück in der Vergangenheit
Das nächste Ziel war ein Ort, den die Gefährten bereits kannten – die Highlands von Schottland. Doch diesmal war die Szenerie verändert. Die einst grünen Hügel waren in ein trostloses Grau getaucht, und das Pfeifen des Windes klang wie das Wehklagen verlorener Seelen.
„Die Schlacht von Culloden“, sagte Solan, während er die rauchenden Überreste eines Feldes betrachtete. „Das Ende der Jakobitenaufstände.“
Kai hob ein altes Banner auf, das zerrissen und blutbefleckt war. „Wir waren hier. Aber diese Verwüstung… das war nicht unsere Spur.“
Die Gefährten trafen auf Alistair McRae, der sich durch die Zeitlinien mitgezogen hatte. „Ihr seid zurück!“, rief er. „Aber die Dinge sind schlimmer geworden. Eine Macht – dieselbe wie in Toledo und Paris – hat die Zeit erneut verdreht.“
Mit Alistair und seinen verbliebenen Männern stellten sich die Gefährten einer neuen Bedrohung: einem Heer aus geisterhaften Kriegern, die von einem Gott namens Morkhal geführt wurden. Lyra nutzte ihr Artefakt, das sich diesmal in einen goldenen Armband verwandelte, um Morkhals dunkle Energie zu bannen.
Die Seuchenjahre
Nach der Schlacht führte die nächste Reise die Gruppe in die finsteren Jahre der Pest. Städte wie London und Florenz waren von Verzweiflung und Tod geprägt. Die Kleidung der Gruppe wandelte sich zu einfachen Kutten, die für die damalige Zeit typisch waren. Myria Dunkelmond nutzte ihre Nebelfähigkeiten, um infizierte Gebiete zu umgehen, während Isolde ihre heilenden Kräfte einsetzte, um die Kranken zu unterstützen.
In Florenz trafen sie auf Leonardo da Vinci, der, wie sich herausstellte, ein geheimes Wissen über die Artefakte der Götter hatte. „Euer Kampf ist nicht nur gegen die Götter“, sagte er, während er an einer seltsamen Maschine arbeitete. „Es ist ein Kampf um die Zukunft der Menschheit.“
Leonardo gab ihnen Hinweise, die sie zur nächsten Epoche führten – in die Karibik des goldenen Zeitalters der Piraterie.
Die Piraten und der Schatz der Götter
Die Wellen schlugen gegen die Seiten der Queen’s Fury, einem Piratenschiff unter dem Kommando von Kapitän Valerio Blackthorn. Er war ein charismatischer, aber gefährlicher Mann, der die Gefährten zunächst gefangen nahm, sie jedoch später als Verbündete akzeptierte, nachdem Sira ihn in einem Duell besiegt hatte.
„Es gibt einen Schatz, der sogar die Götter fürchten“, sagte Valerio mit einem Grinsen. „Und ich habe eine Karte, die euch zu ihm führt.“
Die Suche nach dem Schatz führte die Gruppe zu einer geheimnisvollen Insel, auf der sie auf Sirenen, Flüche und vergessene Kreaturen stießen. Doch letztlich war es Lyra, die das Artefakt entschlüsselte und die Falle der Götter entschärfte.
Ein Schwur über die Zeiten hinaus
Mit jeder Reise wuchs die Verantwortung der Gefährten. Sie hatten unzählige Schlachten geschlagen, historische Persönlichkeiten getroffen und Veränderungen in der Zeitlinie verhindert. Doch sie wussten, dass der Kampf noch nicht vorbei war.
„Wir sind mehr als nur Reisende“, sagte Solan, als sie auf einem Hügel über der nächsten Schlacht standen. „Wir sind Hüter – und wir werden weiterkämpfen.“
Mit einem letzten Blick auf die Karte, die sich stetig veränderte, machten sie sich bereit, die nächsten Epochen zu durchqueren – und die Geheimnisse der Zeit endgültig zu enthüllen.