Kapitel 95: Der Schwur der Ewigen

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Kapitel 95: Der Schwur der Ewigen

Die Luft in der düsteren Gasse der Pestjahre begann zu flimmern, als ob die Zeit selbst zu atmen schien. Das leise Raunen der Pestopfer verklang, und mit einem plötzlichen Lichtblitz fand sich die Gruppe erneut an einem neuen Ort – oder vielmehr, an einem Ort, den sie bereits kannten. Doch diesmal wirkte alles fremd.

Die alte Kathedrale von Toledo ragte in den glühenden Abendhimmel, ihre steinernen Türme von goldrotem Licht umhüllt. Die Straßen waren gefüllt mit Menschen in bunten Gewändern, die Stimmen und Gerüche einer blühenden Stadt des Mittelalters mischten sich mit dem fernen Läuten von Glocken. Aber etwas war anders: Die Gesichter waren von Argwohn gezeichnet, die Augen huschten unruhig umher, als wäre die Stadt von einer unsichtbaren Bedrohung umgeben.

Kai, Lyra und Solan standen am Fuße der Kathedrale, ihre Kleidung nun aus edlem, aber schlichten Stoff gefertigt, wie es für Pilger in dieser Zeit üblich war. Myria Dunkelmond zog ihren Nebelmantel fester um sich, während Selena Arinthal eine winzige Lichtkugel in der Hand formte, die die Schatten fernhielt.

„Toledo“, murmelte Solan, während er die Karte entrollte, die sie aus den Tiefen des Labyrinths mitgenommen hatten. „Wir waren hier, damals, als die Schattenloge ihre Pläne schmiedete. Aber nun… die Zeit hat sich verändert.“

Lyra hob ihr Artefakt, das nun wie eine mit filigranen Gravuren verzierte Brosche an ihrem Umhang befestigt war. Es begann in einem warmen, goldenen Glanz zu pulsieren. „Etwas Dunkles lauert hier. Wir müssen den Ursprung finden – und diesmal die Geschichte richtigstellen.“

Die Hexenjagd von Toledo

Die Gefährten trennten sich, um Informationen zu sammeln. Kai und Sira Valeris, die sich in eine unscheinbare Katze verwandelte, durchstreiften die Märkte, lauschten den Gesprächen der Händler und Kaufleute. Lyra, Solan und Seraphine Veyra betraten die Kathedrale, deren Inneres von einem unnatürlichen Kältehauch durchzogen war.

„Es ist, als ob die Mauern flüstern“, bemerkte Lyra leise.

„Nicht die Mauern“, korrigierte Seraphine, ihre Augen in Trance, während sie eine Vision empfing. „Die Geister der Verurteilten. Dies war nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch der Angst. Hier wurden Unschuldige verbrannt.“

Ihr Verdacht wurde bestätigt, als sie in den unteren Gewölben ein verborgenes Buch fanden, dessen Einträge über den Einfluss eines Gottes namens Thanoris berichteten, der die Inquisition mit Dunkelheit vergiftet hatte.

Om 25

Währenddessen geriet Kai in eine brenzlige Situation. Eine Gruppe schwer bewaffneter Männer, angeführt von einem imposanten Ritter namens Rodrigo der Schwarze, erkannte ihn als Fremden. „Du bist kein Pilger“, knurrte Rodrigo, während seine Männer die Schwerter zogen.

Doch bevor ein Kampf ausbrach, tauchte Sira plötzlich wieder in ihrer menschlichen Form auf und täuschte die Männer mit einer listigen Geschichte über eine Prophezeiung, die sie zu dieser Stadt geführt habe. Rodrigo schien beeindruckt und führte die beiden zu seiner Herrin, einer mysteriösen Frau namens Isolde von Argen, die, wie sich herausstellte, bereits auf die Gefährten wartete.

Das geheime Bündnis

Isolde, die heilende Seherin, offenbarte, dass sie einst eine Schülerin der Schattenloge gewesen war, sich jedoch von Mephos’ finsteren Plänen abgewandt hatte. „Die Götter verändern den Lauf der Zeit, um uns zu kontrollieren“, sagte sie mit leiser Stimme. „Aber ich habe einen Weg gefunden, ihren Einfluss zu schwächen.“

Sie führte die Gruppe in eine geheime Kammer tief unter der Stadt, wo uralte Schriftrollen von einer verlorenen Waffe berichteten – einem Schwert, geschmiedet von den Sterblichen, um die Götter zu bezwingen.

„Doch das Schwert ist verschwunden“, erklärte Isolde. „Die letzte Spur führt uns in die Highlands von Schottland.“

Die Schlacht der Highlands

Kaum hatten sie Toledo verlassen, fanden sie sich in der rauen Wildnis der schottischen Highlands wieder. Nebel zog über die weiten Hügel, und in der Ferne hallte das Dröhnen von Trommeln und das Kreischen von Dudelsäcken. Die Highlands waren im Krieg.

Die Gruppe mischte sich unter die Soldaten eines Clans, angeführt von einem tapferen Anführer namens Alistair McRae. „Die Engländer marschieren gegen uns“, erklärte er. „Doch es gibt Gerüchte über eine dunkle Macht, die beide Seiten manipuliert.“

Es war diese dunkle Macht, die die Gefährten suchten. Inmitten der Schlacht, während Schwerter aufeinanderprallten und Pfeile durch die Luft schwirrten, entdeckten sie eine Ruine, in der die Energie von Thanoris pulsierte. Doch bevor sie die Quelle erreichen konnten, tauchte eine neue Bedrohung auf: ein monströses Wesen, halb Wolf, halb Mensch, das von den Göttern entsandt worden war, um die Gruppe aufzuhalten.

Der Tanz der Zeitlinien

Die Gefährten überwanden die Bestie mit vereinten Kräften. Lyras Artefakt, das nun wie ein silberner Dolch erschien, spielte eine entscheidende Rolle. Als sie das Wesen besiegten, flimmerte die Zeit erneut, und sie fanden sich in einer neuen Epoche wieder – der Französischen Revolution.

Die Straßen von Paris waren voller Aufruhr. Die Guillotine thronte wie ein düsteres Symbol des Schreckens über dem Place de la Révolution. Doch die Gruppe hatte keine Zeit zu verlieren. Solan führte sie zu einem geheimen Versteck, wo Étienne, der Revolutionär, ihnen half, eine Karte zu entschlüsseln, die zum nächsten Fragment der Wahrheit führte.

„Die Götter sind schwächer geworden“, sagte Lyra mit Nachdruck. „Aber sie sind noch nicht besiegt. Wir müssen weitermachen.“

Ein neues Kapitel

Mit jeder Epoche wuchs die Erkenntnis, dass die Geschichte nicht einfach in Stein gemeißelt war. Die Orte, die sie besuchten, trugen die Narben ihrer eigenen Kämpfe. Und doch wussten sie, dass sie die Hüter des Gleichgewichts waren – und dass ihre Reise noch lange nicht vorbei war.

Am Ende des Tages, als die Sonne hinter den Mauern von Paris versank, sprach Solan: „Die Geschichte formt uns, und wir formen die Geschichte. Aber es gibt noch so viel zu tun.“

Die Gefährten machten sich auf, ihre nächste Reise anzutreten – zu den großen Kriegen der Napoleonischen Ära und darüber hinaus. Und während die Zeitlinien flossen, wussten sie eines sicher: Ihr Schwur, die Menschheit vor den Machenschaften der Götter zu schützen, würde sie für immer zusammenhalten.

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