Kapitel 93: Der Sturm der Geschichte

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Kapitel 93: Der Sturm der Geschichte

Der kalte Wind der schottischen Highlands umspielte die Gruppe, während sie schweigend auf einer Hügelkuppe stand. Die Schlachtfelder, die einst von William Wallaces Kampfeswillen erfüllt waren, hatten sich verändert. Das Gras war blutgetränkt, die Luft schwer von der unausgesprochenen Spannung zwischen den Sterblichen und den Göttern, die diese Schlacht heimlich beeinflussten. Kai, Solan und Lyra standen dicht beieinander, die anderen Gefährten formierten sich um sie herum wie eine Schutzmauer.

„Es fühlt sich an, als ob der Boden selbst von Geschichten durchzogen ist“, sagte Lyra leise, während sie mit den Fingern über das schottische Armband strich, das sich aus ihrem zeitlosen Artefakt gebildet hatte. Es schimmerte in den Farben des Clans, der hier um seine Freiheit kämpfte. „Wir waren hier, das ist sicher, aber nichts ist mehr so, wie wir es verlassen haben.“

„Die Geschichte hat sich gewandelt“, murmelte Solan, dessen Blick auf den Horizont gerichtet war. „Dies ist nicht das Schottland, das wir kannten. Die Zeit hat Narben hinterlassen, und die Götter haben ihre Finger tief in den Fluss der Ereignisse gegraben.“

Myria Dunkelmond trat vor, ihre Silhouette verschwamm kurz im dichten Nebel, den sie wie ein Mantel trug. „Die Nebel erzählen von alten Bündnissen und neuen Verrätern. Die Götter mischen sich tiefer ein als je zuvor. Es ist, als hätten sie vergessen, dass auch sie den Konsequenzen ihrer Taten nicht entkommen können.“

Kai zog seinen Umhang enger um sich und blickte hinunter ins Tal, wo schottische Krieger aufgereiht standen. Ihre Waffen, improvisiert, aber tödlich, spiegelten den verzweifelten Mut wider, der sie durch die Dunkelheit trieb. „Das bedeutet, dass wir uns beeilen müssen. Diese Schlacht ist nicht nur eine Wiederholung. Sie ist ein Knotenpunkt. Wenn wir scheitern, wird die Freiheit niemals eine Chance haben.“

Om 25

Die Reise beginnt erneut

Als sie weiterzogen, spürten sie, wie die Luft sich veränderte. Die Hügel der Highlands verblassten, und die Gruppe fand sich plötzlich in einer neuen Epoche wieder. Die glorreichen Tage des französischen Kaiserreichs breiteten sich vor ihnen aus. Paris war in all seiner Pracht und Verzweiflung zugleich sichtbar, die Straßen belebt von Bürgern, die zwischen Hoffnung und Furcht schwankten.

„Die Französische Revolution hat eine eigene Melodie“, sagte Seraphine Veyra, ihre Augen glühend vor Visionen. „Doch sie ist verstimmt. Die Götter zerren an den Fäden, und wir müssen herausfinden, warum.“

In den Straßen von Paris mischten sie sich unter das Volk. Ihre Kleidung hatte sich angepasst: Lyra trug ein einfaches Kleid, das den Revolutionärinnen der Zeit ähnelte, während Solan in die Rüstung eines Offiziers geschlüpft war. Kai jedoch war in dunklen Tüchern gekleidet, die ihm das Aussehen eines Schattenkriegers verliehen.

„Napoleon ist hier“, flüsterte Sira Valeris, die sich in eine kleine Katze verwandelt hatte und von einem Fensterbalken herabsah. „Sein Geist brennt mit Ambitionen, die weit über diese Zeit hinausreichen. Doch da ist noch jemand… etwas Dunkleres.“

Ein Treffen mit einem mysteriösen Revolutionär namens Étienne führte die Gruppe zu einer verborgenen Kammer tief unter den Straßen von Paris. Dort entdeckten sie eine Karte, die weit mehr als die Schlachten der Revolution offenbarte. Es war eine Karte der Geschichte selbst, gezeichnet mit Symbolen, die sie an die Zeichen der Götter erinnerten.

„Das ist ein Schachbrett“, sagte Solan, sein Finger über die Linien fahrend. „Die Götter spielen, und wir sind ihre Figuren. Doch wir können uns weigern, Teil ihres Spiels zu sein.“

Neue Freunde, alte Feinde

Die Zeit drängte, und ihre Reise führte sie weiter. Von den französischen Revolutionären zu den goldenen Tagen der Piraterie – hier, auf den tosenden Meeren, fanden sie sich auf einem Schiff wieder, das unter der Flagge von Blackbeard segelte.

„Ich habe schon von diesem Mann gehört“, sagte Kai, als sie an Bord traten. Blackbeard – ein riesiger Mann mit flammendem Bart und Augen, die wie Kohlen glühten – musterte sie misstrauisch.

„Wer seid ihr, die ihr aus dem Nichts auftaucht?“ Seine Stimme war wie ein Donner, der über die See rollte.

„Reisende“, antwortete Lyra mit einem sicheren Lächeln. „Und vielleicht Freunde, wenn ihr unsere Hilfe braucht.“

Die Begegnung führte zu einem ungewöhnlichen Bündnis. Blackbeard, beeindruckt von ihrer Entschlossenheit, brachte sie zu einem geheimen Schatz, der angeblich die Macht hatte, die Strömungen der Geschichte zu beeinflussen. Doch der Schatz war verflucht – ein Werk der Götter, die ihre Spiele auf die Meere ausgedehnt hatten.

Die Schatten der Vergangenheit

Von den Piraten der Karibik bis zu den düsteren Tagen der spanischen Inquisition führte die Zeit sie weiter. Die Gassen von Toledo waren von Schreien erfüllt, die von den Hexenprozessen zeugten. Hier trafen sie auf eine alte Freundin: Isabel, eine Heilerin, die sie auf einer früheren Reise durch diese Epoche kennengelernt hatten. Doch Isabel war verändert. Die Zeit hatte sie gezeichnet, und die Magie der Götter hatte ihren Geist vergiftet.

„Ich dachte, ihr wärt Götter“, sagte sie mit Tränen in den Augen, als sie die Gruppe erkannte. „Doch ihr seid auch nur sterblich. Warum habt ihr mich verlassen?“

Es war Solan, der ihr die Hand reichte und sie zurück in die Gegenwart brachte. „Wir sind keine Götter, Isabel. Aber wir sind hier, um die Schatten zu bekämpfen, die sie hinterlassen haben.“

Ein neues Ziel

Die Gefährten zogen weiter, durch die Pestjahre des Mittelalters, durch die Schlachten der portugiesischen Entdeckungsreisen und schließlich bis in die Tiefen des osmanischen Reiches. In jedem Zeitalter trafen sie auf neue Verbündete – und auf alte Feinde, die sie daran erinnerten, dass ihre Aufgabe noch lange nicht vorbei war.

Doch egal, wohin sie reisten, eine Frage blieb: Wer zog wirklich die Fäden? Die Götter? Oder etwas, das noch größer war als sie alle?

Die Antwort lag vielleicht in ihrer nächsten Etappe: die brennenden Felder von Waterloo, wo Napoleon selbst auf sie wartete. Ein Ort, an den sie schon einmal zurückkehren mussten – und der diesmal nicht mehr derselbe war.

„Die Geschichte endet nie“, sagte Lyra, als sie das Schlachtfeld betrachtete. „Aber wir können ihr eine Richtung geben.“

Und mit diesen Worten zogen sie weiter, durch die Epochen, bereit, die nächste Schlacht zu schlagen – nicht nur für die Freiheit, sondern für die Zukunft der Menschheit selbst.

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