Kapitel 83: Der Klang der Stürme
Die Wellen der Zeit brachen wie unaufhaltsame Ströme über Lyra, Kai und Solan hinweg, als sie durch den Schleier des Nebels stürmten, der sich vor ihnen auftürmte. Die Luft war durchzogen von einem eigenartigen Rauschen, als ob der Atem der Götter selbst über das Schlachtfeld von Marathon strich. Doch es war nicht das gleiche Marathon, das sie einst kannten. Der Boden war jetzt verbrannt und zerklüftet, die Hügel, die einst von grünem Gras bedeckt waren, starrten in einem düsteren Grau zurück. Das Feld, das so voller Leben und Entschlossenheit gewesen war, schien nun von einer dunklen Macht durchzogen zu sein – Mephos‘ Einfluss war unausweichlich.
„Es ist anders“, flüsterte Lyra, ihre Hand fest um den Armbandring geklammert, der sich zu einem feinen KettenArmband gewunden hatte, der sanft im Dämmerlicht glänzte. Ihre Kleidung war jetzt die einer Spartanerin, mit einem weißen Chiton, der sich in dunklen Rottönen schimmerte, als hätte er das Blut der Geschichte in sich aufgenommen. „Aber wir müssen uns beeilen, der Lauf der Zeit ist nicht mehr unser Freund.“
Kai, der nun in der Rüstung eines griechischen Kriegers kämpfte, warf einen schnellen Blick in die Ferne. „Die Schlacht ist in vollem Gange, aber die wahre Herausforderung wird jetzt beginnen. Mephos ist nicht einfach ein Gegner. Er ist der Schatten, der die Zeit selbst verschlungen hat.“
„Er hat alles verändert“, sagte Solan, der in einem antiken Gewand eines griechischen Historikers gekleidet war und sein Blick auf die entgleisten Zeitströme gerichtet war. „Aber er kann uns nicht ungestraft verändern. Wir haben ihn schon einmal besiegt, und wir werden es erneut tun. Aber diesmal ist es anders.“
Während sie sich durch das Chaos bewegten, das den Marsch der Titanen begleitete, spürte Lyra eine seltsame Präsenz, die sie nicht zuordnen konnte. Es war, als ob die Luft selbst sich verdichtet hatte. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Ort uns nie wirklich verlassen hat“, sagte sie, ihre Stimme zitterte leicht. „Wir waren schon hier, aber etwas ist anders. Der Wind ist kälter, der Boden härter… alles scheint sich zu wiederholen, aber gleichzeitig nicht.“
„Vielleicht sind es die Echos der Vergangenheit“, sagte Solan nachdenklich, als er in den Himmel sah, der nun eine trübe graue Farbe angenommen hatte. „Die Zeitlinien sind miteinander verflochten, aber sie haben sich verschoben. Der Marathon, den wir einst sahen, existiert nicht mehr so wie vorher. Vielleicht war dies der Ort, an dem alles hätte kippen können, und Mephos hat es geschafft, die Ströme umzulenken.“
„Es gibt keine Zeit zu verlieren“, rief Kai, als er sein Schwert aus der Scheide zog, das jetzt von einem feinen griechischen Bronze-Schutzschild begleitet wurde. „Wir müssen in die Schlacht ziehen und uns gegen die Dunkelheit stellen. Mephos hat die Macht über die Zeit, aber wir haben die Macht über den Moment.“
Mit einer Entschlossenheit, die den Wellen des Chaos trotzte, stürmte die Gruppe voran, ihre Bewegungen vereint wie eine einzige Welle, die die Feinde zerschlug. Während sie in das Herz des Schlachtfelds vorrückten, bemerkte Lyra eine seltsame Veränderung. Sie spürte, wie ihre Kräfte, die durch den Ring in ihr pulsieren, stärker wurden. Der alte, vertraute Schmerz war jetzt ein flimmernder Lichtstrahl in ihrem Inneren, ein Feuer, das sich durch ihre Adern zog und sie dazu antrieb, die Zeit selbst zu wenden.
„Dort“, sagte sie und deutete auf einen dunklen Schatten, der sich durch die Reihen der griechischen Truppen bewegte. „Er ist hier. Mephos hat sich dieser Zeitlinie angepasst. Doch er ist nicht mehr der, der er war. Er ist… zerbrochen.“
„Was meinst du?“ fragte Solan, als er in die Richtung sah, in die Lyra deutete.
„Er trägt die Narben der Zeit selbst. Seine Existenz ist zerrissen, seine Präsenz fragmentiert. Er ist ein Stück der Zeit, das zu einem Abbild von Macht geworden ist, aber er kann nicht in dieser Welt bleiben.“
Die Gruppe beschleunigte ihre Schritte, als sie sich dem Zentrum des Schlachtfelds näherten, wo Mephos‘ dunkle Armee in der Mitte der griechischen Reihen kämpfte. Überall war der Nebel, der sich mit den Kriegern verband und sie in den Wahnsinn stürzte. Doch es war nicht nur der Nebel, der sich ausbreitete. Es war der Druck der zerbrochenen Zeit, der die Luft zerriss.
„Er wird nicht mehr in den Schatten verweilen“, sagte Myria Dunkelmond, die sich aus dem Nebel erhob. Ihre Augen leuchteten wie zwei schwarze Sterne, und ihre Kleidung war jetzt die eines griechischen Schattenkriegers. „Ich werde ihm den Weg abschneiden.“
Mit einem leisen Flüstern war Myria schon wieder verschwunden, und der Nebel, den sie beherrschte, waberte über das Schlachtfeld, veränderte die Realität selbst, verschlang die Perspektiven und ließ die Feinde in der Dunkelheit zappeln. „Führt ihn zu mir“, sagte sie dann.
„Er ist ein Teil der Zeit“, rief Seraphine, als sie in die Nähe der Gruppe trat, ihre Visionen in einem rasenden Strom von Bildern. „Aber wir müssen wissen, wann er aufhört und wann wir beginnen. Es ist die einzige Möglichkeit, ihn zu fangen.“
„Lasst uns diese Zeitlinie nicht noch mehr verderben“, rief Selena, als ihre Hände die Luft durchbrachen und Lichtblitze in die Dunkelheit schickten, die wie eine blendende Welle in der Dunkelheit aufbrach. „Es ist der Moment, in dem alles entschieden wird.“
Die Schlacht tobte weiter, doch Lyra wusste, dass der wahre Feind nicht die Armee der Perser war, sondern Mephos selbst, der mit den Fäden der Geschichte spielte. Doch inmitten dieses Chaos’ spürte Lyra, dass der Kreis sich langsam schloss. Die Titanen der Zeit standen nebeneinander, vereint gegen das, was ihnen das Leben und die Zeit selbst genommen hatte.
Die Schlacht von Marathon war ein Erbe, das sich immer wieder neu erschuf. Doch die Frage war, ob diese Schlacht die Zeit wieder auf den richtigen Kurs bringen konnte, oder ob sie in den Ruinen der Geschichte verloren ging.
„Wir werden es gemeinsam schaffen“, flüsterte Lyra, als ihre Hand um den Armbandring straffte und die Energie der Vergangenheit in sich aufnahm.
„Denn der wahre Krieg… ist immer der, der in uns selbst tobt.“