Kapitel 82: Der Marsch der Titanen
Die Sonne senkte sich langsam über das weite Schlachtfeld von Marathon. Der Lärm der Schlacht hallte durch die Luft, während der Boden unter den Füßen der Krieger bebte. Doch für Lyra, Kai, Solan und ihre Gefährten war der Krieg nur ein Teil der größeren Aufgabe, die vor ihnen lag. Sie hatten bereits einmal diesen Ort betreten, doch die Zeitlinie war anders, und diesmal war der Ausgang der Schlacht ungewiss. Sie hatten nicht nur gegen die Perser zu kämpfen, sondern auch gegen den dunklen Einfluss von Mephos, der versuchte, die Geschichte zu verändern, um die Macht über die Zeit und alle Zivilisationen zu erlangen.
Die Gruppe stand am Rand der Auseinandersetzung und beobachtete die sich formierenden Reihen der Griechen. Themistokles, der General der griechischen Streitkräfte, blickte zu ihnen herüber, als sie sich erneut in den Reihen der Hopliten positionierten. Es war eine seltsame Verbindung zwischen den alten und neuen Kriegern, zwischen denen, die für die Freiheit kämpften, und denen, die in den Fäden der Zeit verstrickt waren.
„Es fühlt sich anders an“, murmelte Lyra und sah sich um. Die weite Ebene von Marathon, die sie bereits früher betreten hatten, schien sich verändert zu haben. Die Hügel waren jetzt karger, und die Windböen trugen eine bittere Kälte, die den ansonsten warmen Sonnenschein durchbrach. „Der Ort ist der gleiche, aber er fühlt sich nicht mehr wie der gleiche an. Es ist, als ob er noch nicht bereit ist, Geschichte zu schreiben.“
„Es ist die Zeit, die sich verändert hat“, sagte Solan, während er nachdenklich auf das Schlachtfeld starrte. „Dies ist nicht der Marathon, den wir in Erinnerung hatten. Hier liegt eine andere Wahrheit verborgen.“
„Der Zeitpunkt des Kampfes ist entscheidend“, fügte Seraphine hinzu, ihre Augen weit geöffnet, als sie eine Vision empfing. „Ares und Athena sind nicht nur Zuschauer. Ihre Präsenz ist… gestört. Sie kämpfen nicht nur um den Sieg, sondern um das Gleichgewicht der Zeit zu bewahren. Die Schlacht von Marathon ist ein Knotenpunkt in den Strömen der Geschichte. Wenn wir ihn verlieren, könnten alle kommenden Epochen im Chaos versinken.“
„Wir müssen uns beeilen“, sagte Kai, der mit einem Schwert in der Hand und einer Rüstung aus Bronze und Leder, die sich perfekt an die griechische Epoche anpasste, aussah. „Der Feind ist nahe.“
Lyra nickte und zog ihren eigenen Ring am Handgelenk, das Artefakt, das sich durch die Zeiten verändert hatte. Es war jetzt ein eleganter, feiner Ring aus Silber, in den komplexe Symbole eingegraben waren – eine Mischung aus Runen und antiken griechischen Zeichen. Ihre Hand zitterte nicht, als sie den Ring berührte, sondern sie spürte eine neue, stärkere Energie, die sie durchströmte. Etwas war anders. Der Kampf um das Schicksal dieser Welt war nicht nur ein physischer, sondern auch ein magischer.
„Ich werde mich auf den Feind stürzen“, sagte Selena, deren Kleidung nun die feinen Stoffe einer griechischen Kriegerin trug. Ihre Kräfte, das Licht zu manipulieren, würden in diesem Moment entscheidend sein. Sie sprang auf einen Hügel, das Licht sammelte sich um sie, als sie mit einer einzigen Bewegung die Dunkelheit auf dem Schlachtfeld durchbrach. Ein blendender Blitz fuhr in die Reihen der Perser und zwang sie, sich zurückzuziehen.
„Ihr könnt nicht gewinnen, Perser!“, rief Selena, ihre Stimme hallend wie das Donnern eines Gottes. „Der Sieg wird den freien Völkern gehören.“
Die Perser, die unter dem blenden Licht zurückwichen, zögerten kurz. Doch dann hörte Lyra das vertraute Zischen des Nebels. Es war Myria. Sie konnte die Nebelwellen fühlen, die sich auf dem Schlachtfeld ausbreiteten, die die Feinde in Verwirrung stürzten. Die Dunkelmond-Herrin verschwand zwischen den Reihen der feindlichen Soldaten und ließ den Nebel ihren Namen sprechen, als sie einen weiteren Angriff in die Verwirrung der Feinde lenkte.
„Der Nebel wird ihre Reihen brechen“, sagte Sira, die sich nun in die Form eines gewaltigen Löwen verwandelt hatte. Sie stürmte voran und zerriss die feindlichen Formationen, als sie mit ihren mächtigen Pranken durch die Perser preschte. Ihre Bewegungen waren schnell und präzise, jeder Schlag ein vernichtender Treffer.
„Dieser Sieg ist unser!“ rief sie, ihre Stimme tief und mächtig.
Doch das war noch nicht das Ende. Lyra konnte es spüren, die Wellen der Zeit, die sich wie ein Sturm über das Schlachtfeld legten. Etwas war nicht richtig, und sie wusste, dass der wahre Feind noch nicht sichtbar war. Mephos’ dunkle Präsenz war überall spürbar, wie ein unsichtbares Netz, das versuchte, die Schlacht in eine neue Richtung zu lenken.
„Er ist hier“, flüsterte Lyra und sah zu Solan, dessen Blick den Horizont durchbrach. „Mephos hat sich der Zeitlinie erneut angepasst. Die Krieger, die er geschickt hat, sind keine normalen Soldaten.“
„Und wir sind nicht allein“, antwortete Solan, „Die Götter spielen ein gefährliches Spiel. Athena ist nicht mehr die weise Beschützerin Athens, sie ist… gefangen in einem Ringen der Macht.“ Er starrte in die Ferne, seine Augen verengten sich. „Ich spüre ihre Energie, aber sie ist nicht mehr in unserer Nähe.“
„Was bedeutet das?“ fragte Kai, als er sich neben Solan stellte.
„Es bedeutet, dass die Götter nicht nur über den Verlauf dieser Schlacht entscheiden, sondern auch über das, was danach kommt“, sagte Solan. „Wenn wir nicht handeln, könnten Mephos’ Absichten weit über diesen Moment hinausreichen. Wir müssen uns mit den Göttern verbünden, die noch auf unserer Seite stehen.“
„Aber Athena…“, begann Lyra, doch ihre Worte wurden von einem mächtigen Donner unterbrochen.
Am Himmel erschien eine goldene Gestalt, die sich über das Schlachtfeld erhob. Es war Athena, doch ihre Augen waren von einem ständigen Sturm umhüllt, ihre göttliche Präsenz war getrübt. „Ich kann euch nicht direkt helfen“, rief sie, „Aber ich kann euch den Weg zeigen. Mephos wird die Schlacht nicht allein gewinnen.“
Ein Lichtstrahl traf den Boden, und im gleichen Moment spürte Lyra eine Kraft, die die Luft durchbrach. Ihre Hand, die den Ring hielt, begann zu vibrieren, als ob der Artefakt auf eine verborgene Energiequelle reagierte.
„Lauft!“, rief Seraphine, als sie die Zeitenwellen spürte, die sich plötzlich in einem rasenden Tempo verdichteten. „Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren.“
Lyra, Kai, Solan und die anderen kämpften sich durch die Reihen, das Ziel vor Augen: Mephos aufzuhalten und den Lauf der Geschichte zu bewahren. Der wahre Krieg begann nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in den unsichtbaren Fäden, die die Zeit miteinander verbanden.