Kapitel 73: Der Atem der Ewigkeit

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Lesedauer 4 Minuten

Kapitel 73: Der Atem der Ewigkeit

Als die Zeitenwelle sie ergriff, fühlte Lyra ein sanftes Ziehen in der Brust, als würde die Luft selbst sie in eine andere Richtung lenken. Das Schlachtfeld, die jubelnden Rufe der römischen Legionen und das unheilvolle Leuchten des zerstörten Altars verschwanden, und eine neue Welt formte sich um sie. Der Übergang war wie immer abrupt – doch diesmal auch seltsam ruhig.

Die Gruppe fand sich inmitten einer weitläufigen, windgepeitschten Ebene wieder. Der Boden unter ihnen war von trockenem, rissigem Sand bedeckt, durchzogen von schwarzen Linien wie uralte Narben. In der Ferne ragten massive Steinstrukturen in den Himmel, deren Schatten wie stumme Wächter über die Einöde lagen.

Kai blinzelte gegen die flimmernde Hitze, während sich ihre Kleidung und Waffen erneut wandelten. Wo zuvor römische Rüstungen und Schwerter ihre Gestalt geformt hatten, trugen sie nun lange, in kräftigen Farben gefärbte Gewänder, die mit goldenen Stickereien verziert waren. Lyra berührte ihr Armband, das sich in eine schlichte, doch kunstvolle Halskette verwandelt hatte. Die Runen darauf wirkten vertraut und gleichzeitig fremd.

„Wo sind wir diesmal gelandet?“ fragte Solan, der vorsichtig die Umgebung musterte. Seine Stimme war leiser, als ob er die Stille nicht brechen wollte.

„Babylon,“ antwortete Myria mit einem Anflug von Ehrfurcht. „Das Herz des alten Mesopotamiens. Sieh dir die Zikkurat dort drüben an – das muss der Turm von Esagila sein.“

Die Stadt der Götter

Als sie sich der Stadt näherten, wurde die einstige Pracht Babylons sichtbar: Straßen aus gebrannten Ziegeln, prächtig verzierte Tore mit Darstellungen von Löwen und Drachen, und in der Ferne die imposanten Hängenden Gärten, die sich wie eine grüne Oase über die Ebene erstreckten. Doch etwas stimmte nicht. Die Stadt, die einst ein Zentrum von Kultur und Macht gewesen war, schien unter einer unsichtbaren Last zu leiden. Der Himmel war düster, obwohl keine Wolken zu sehen waren, und die Luft vibrierte mit einer fremden Energie.

Om 25

„Das hier fühlt sich falsch an,“ sagte Kai, der seine Finger um den Griff eines kurzen, gebogenen Schwertes legte, das sich seiner Hand vertraut anpasste. „Es ist, als ob die Zeit hier feststeckt.“

„Nicht nur die Zeit,“ murmelte Lyra. „Schau dir die Menschen an.“

Sie beobachteten, wie Männer und Frauen mit leeren Gesichtern durch die Straßen wanderten. Ihre Bewegungen wirkten mechanisch, fast wie die von Marionetten. Es war, als ob sie von einer unsichtbaren Macht kontrolliert wurden.

Ein vertrauter Feind

Am Fuße des Turms von Esagila wartete jemand auf sie. Eine Gestalt, deren bloße Präsenz die Luft um sie herum zum Flimmern brachte. Es war Mephos. Sein Schatten hatte sich in diese Epoche geflüchtet, und diesmal war er nicht allein. Neben ihm standen Krieger in Rüstungen, die mit seltsamen Symbolen verziert waren – Symbole, die Solan als babylonische Schriftzeichen erkannte, doch sie schienen verdorben, als ob jemand ihre Bedeutung verzerrt hatte.

„Ihr schon wieder,“ zischte Mephos, seine Stimme ein Echo aus vielen Zeiten. „Ihr denkt wirklich, ihr könnt die Zeitlinien reparieren? Ihr versteht nicht einmal, was ihr antastet.“

„Wir verstehen mehr, als du denkst,“ erwiderte Lyra und trat vor. Ihre Stimme war ruhig, doch ihre Augen blitzten vor Entschlossenheit. „Und wir werden nicht zulassen, dass du auch diese Epoche zerstörst.“

Mephos lachte. „Diese Epoche hat sich längst selbst zerstört. Ich gebe ihr nur den letzten Stoß.“

Er hob seine Hand, und die Luft um den Turm begann zu zittern. Schatten krochen die Mauern hinauf, und aus der Erde erhoben sich Gestalten, die aus Stein und Sand geformt waren – Wächter, die darauf programmiert schienen, jeden Eindringling zu vernichten.

Der Kampf um Babylon

Die Gruppe bereitete sich auf den Kampf vor. Myria ließ Nebel aufsteigen, der die Sicht der Feinde einschränkte und ihnen Deckung bot. Solan zog eine Schriftrolle aus seiner Tasche, deren Zeichen im Licht zu glühen begannen. Kai stürzte sich in den Kampf, seine Bewegungen schnell und präzise, während Lyra mit ihrer Klinge einen Kreis um sich zog, der die Schattenwächter fernhielt.

„Solan!“ rief Lyra, während sie einen besonders hartnäckigen Gegner abwehrte. „Finde einen Weg, die Kontrolle über den Turm zu brechen!“

„Ich brauche Zeit!“ antwortete Solan, während er verzweifelt die Symbole der Schriftrolle entzifferte.

Die Schlacht war intensiv. Die Schattenwächter waren mächtig, doch die Gruppe war ein eingespieltes Team. Kai nutzte seine Agilität, um die Angriffe der Feinde zu umgehen, während Myrias Nebel sie immer wieder verwirrte. Lyra und Solan arbeiteten zusammen, um die magischen Energien des Turms zu stören.

Schließlich fand Solan den entscheidenden Hinweis. „Der Turm ist der Schlüssel!“ rief er. „Wenn wir die Spitze erreichen, können wir die Energiequelle zerstören!“

Die Spitze des Turms

Die Gruppe kämpfte sich durch die Wächter und erreichte die oberen Ebenen des Turms. Die Architektur war atemberaubend: kunstvolle Reliefs, die die Taten der babylonischen Götter darstellten, und eine Plattform, die in den Himmel zu ragen schien. Doch in der Mitte thronte ein schwarzer Kristall, der vor dunkler Energie pulsierte.

„Das ist es,“ flüsterte Lyra. „Das Herz von Mephos‘ Macht.“

Doch bevor sie den Kristall erreichen konnten, stellte sich ihnen Mephos erneut in den Weg. „Ihr könnt mich nicht besiegen,“ sagte er mit einem gefährlichen Glühen in den Augen. „Ich bin die Zeit. Ich bin die Geschichte.“

„Und wir sind ihre Hüter,“ erwiderte Lyra, bevor sie sich auf ihn stürzte.

Ein Wendepunkt

Der Kampf gegen Mephos war erbittert. Doch schließlich gelang es Solan, die Runen auf dem Kristall zu entschlüsseln, während Lyra ihn ablenkte. Mit einem letzten, verzweifelten Schlag zerbrach Kai den Kristall, und ein heller Lichtblitz durchflutete den Turm.

Die Schatten verschwanden, und die Atmosphäre der Stadt veränderte sich. Die Menschen erwachten aus ihrer Trance, und die fremde Energie, die Babylon bedrückt hatte, löste sich auf.

Ein neuer Ruf

Doch bevor die Gruppe das Ausmaß ihres Sieges voll erfassen konnte, spürten sie erneut das Ziehen der Zeitenwelle.

„Es ist noch nicht vorbei,“ sagte Lyra mit einem ernsten Blick, während die Welt um sie herum zu flimmern begann. „Die Geschichte ruft uns weiter.“

Die Zeitlinie verschob sich erneut, und sie wurden in eine neue Ära gezogen – inmitten eines tosenden Meeres, wo die Silhouette einer gewaltigen Flotte am Horizont auftauchte.

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