Kapitel 72: Die Ketten der Titanen

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Lesedauer 4 Minuten

Kapitel 72: Die Ketten der Titanen

Die Welt schien für einen Augenblick stillzustehen. Kai spürte den Boden unter seinen Füßen zittern, als die Titanen mit donnernden Schritten weiter voranschritten. Ein Gefühl der Beklemmung legte sich über das Schlachtfeld. Solan, der eine Karte in der Hand hielt, die mit einer Mischung aus lateinischen und unbekannten Schriftzeichen beschrieben war, musterte den Horizont, während die rote Morgensonne die Szenerie in ein düsteres Licht tauchte.

„Pompeius erwartet uns beim westlichen Wall,“ rief Decimus Aurelius, der mit erhobenem Schwert auf einen befestigten Hügel deutete. „Dort haben wir die letzte Linie gegen Mithridates und seine dämonischen Verbündeten gezogen.“

Lyra nickte, ihre Haltung unverändert wachsam. Ihr Armband, das sich nun in eine kunstvoll gearbeitete Brosche verwandelt hatte, funkelte im Licht und schien eine leise Vibration auszusenden. „Wir dürfen keine Zeit verlieren,“ sagte sie entschlossen. „Wenn Mephos den Altar vollständig aktiviert, wird dieser Krieg mehr als nur das Schicksal Roms besiegeln.“

Die Zeitlinie verändert sich

Als sie den Wall erreichten, fiel ihnen sofort auf, dass sie diesen Ort schon einmal gesehen hatten – allerdings in einem anderen Zustand. Früher war es eine prächtige Villa mit Fresken und Gärten, die über die Ebene von Zela blickte. Jetzt jedoch war sie zu einem befestigten Lager geworden, die Mauern geschwärzt von Feuer, die Gärten in Trümmern. Es war, als ob die Zeit selbst die Seele des Ortes verzerrt hätte.

Om 25

„Ich erinnere mich,“ murmelte Solan, seine Stimme nachdenklich. „Das letzte Mal waren wir hier, bevor der Krieg begann. Damals war es ein Ort des Friedens, ein Treffpunkt von Gelehrten. Jetzt … ist es ein Schlachtfeld.“

„Die Zeit hat ihren Tribut gefordert,“ sagte Myria Dunkelmond, während sie den Nebel um sich formte, um unbemerkt in den Schutz des Walls zu schlüpfen. „Oder vielleicht war es Mephos, der sie verändert hat.“

Kai legte eine Hand auf die beschädigte Mauer. „Und jetzt sind wir wieder hier, um das, was zerstört wurde, zu bewahren. Irgendwie ironisch, oder?“

Pompeius’ Plan

Im Inneren des Lagers erwartete sie Gnaeus Pompeius Magnus selbst, ein Mann von imposanter Erscheinung, dessen scharf geschnittenes Gesicht vor Entschlossenheit strahlte. Er trug eine Rüstung, deren goldene Verzierungen Geschichten von vergangenen Siegen erzählten. Neben ihm standen mehrere Berater, deren Ausdrucke von Sorge und Unsicherheit geprägt waren.

„Decimus hat mich über eure Fähigkeiten informiert,“ begann Pompeius, ohne Zeit zu verschwenden. „Wir stehen am Rande einer Katastrophe. Mithridates hat sich mit Kräften eingelassen, die kein Sterblicher kontrollieren sollte. Diese Titanen …“ Er hielt inne und atmete schwer. „Sie sind keine gewöhnlichen Gegner.“

„Wir haben Informationen, die euch helfen könnten,“ sagte Solan, der seine Karte auf einem hölzernen Tisch ausbreitete. „Der Altar, den Mephos errichtet hat, ist der Schlüssel. Wenn wir ihn zerstören, verlieren die Titanen ihre Macht.“

Pompeius nickte, sein Blick prüfend. „Das ist ein gefährliches Unterfangen. Die Titanen bewachen den Altar. Aber wenn ihr einen Weg findet, ihn zu zerstören, werde ich meine Truppen einsetzen, um euch den Weg zu ebnen.“

„Wir werden es tun,“ sagte Lyra entschlossen. „Aber wir brauchen eure besten Männer, um die Titanen abzulenken. Ohne Ablenkung haben wir keine Chance, uns dem Altar zu nähern.“

Die Schlacht entfesselt

Die Sonne stand hoch am Himmel, als die römischen Truppen auf das Schlachtfeld marschierten. Trompetenstöße durchbrachen die angespannte Stille, und die Erde bebte unter den rhythmischen Schritten der Legionen. Gleichzeitig erhob sich aus Mithridates’ Lager ein unheilvoller Klang, ein Gemisch aus Trommeln und fremden, gutturalen Stimmen.

Die Titanen bewegten sich träge, doch jeder ihrer Schritte war ein Erdbeben. Ihre Körper schienen aus altem Stein und Schatten geformt, und aus ihren Augenhöhlen leuchtete ein unnatürliches Licht.

Kai, Lyra, Solan und Myria schlichen sich durch eine verborgene Schlucht, die sie näher an den Altar führte. Seraphine Veyra, die Visionärin, hatte sie begleitet und deutete immer wieder mit einer zitternden Hand auf die titanischen Wachen. „Sie spüren unsere Anwesenheit,“ flüsterte sie. „Wir müssen schnell sein.“

Lyra zog ihr Schwert, dessen Runen nun heller leuchteten. „Wir schaffen das. Wir müssen.“

Der Altar und die Macht der Schatten

Der Altar war eine monströse Konstruktion aus schwarzem Obsidian, der in einem unnatürlichen Glanz leuchtete. Runen, die in keiner bekannten Sprache geschrieben waren, zogen sich über die Oberfläche und pulsierten in einem rhythmischen Takt. Um den Altar herum lagen die Überreste von Schlachten – zerbrochene Schwerter, Schilde und Skelette, deren Knochen unnatürlich verdreht waren.

„Das ist schlimmer, als ich erwartet habe,“ flüsterte Solan, während er die Zeichen untersuchte. „Das ist keine normale Magie. Das ist uralte, dunkle Energie. Mephos hat mehr Macht, als wir dachten.“

„Dann müssen wir ihn stoppen, bevor er sie vollständig entfesselt,“ sagte Lyra. „Kai, Myria, ihr deckt uns. Solan und ich kümmern uns um den Altar.“

Kai nickte und zog einen römischen Kurzschwert, das sich in seiner Hand vertraut anfühlte. „Wir halten euch die Schatten vom Leib.“

Myria erhob ihre Hände, und ein dichter Nebel legte sich über das Feld, verbarg die Gruppe vor den titanischen Wachen. Gleichzeitig begann Solan, die Runen auf dem Altar zu entziffern, während Lyra ihre Klinge über die Oberfläche zog, um eine Schwachstelle zu finden.

Ein gefährlicher Pakt

Doch gerade, als sie Fortschritte machten, erhob sich eine dunkle Gestalt aus dem Schatten hinter dem Altar. Es war Mephos, gehüllt in eine Rüstung aus Schatten und mit einem Gesicht, das vor Bosheit strahlte. „Ihr Narren,“ zischte er. „Ihr glaubt, ihr könnt die Zeitlinie reparieren? Ihr seid nichts als Bauern in meinem Spiel.“

„Das werden wir sehen,“ rief Lyra und stürzte sich auf ihn, ihre Klinge im Licht der Runen glühend. Der Kampf war heftig, ein Tanz aus Licht und Schatten, während Myria und Kai die Titanen auf Abstand hielten.

Doch es war Solan, der schließlich die Lösung fand. Er drückte eine verborgene Rune auf dem Altar, und ein heller Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit. Der Altar begann zu erzittern, und die Titanen wankten, ihre Körper zerbröselten zu Staub.

„Wir haben es geschafft!“ rief Lyra, doch Mephos war verschwunden, seine Drohung hallte noch in der Luft: „Das ist noch nicht vorbei.“

Ein neuer Übergang

Als der Staub sich legte, stand die Gruppe wieder alleine auf dem Schlachtfeld. Die römischen Truppen jubelten, und Pompeius kam auf sie zu, sein Gesicht voller Dankbarkeit. Doch bevor sie etwas sagen konnten, spürten sie das vertraute Ziehen der Zeitenwelle.

„Wohin jetzt?“ fragte Kai, als die Welt um sie herum zu verschwimmen begann.

„Wohin die Zeit uns ruft,“ antwortete Lyra mit einem leichten Lächeln. Und mit einem letzten Blick auf die jubelnden Legionen wurden sie erneut in eine andere Ära gezogen – auf der Suche nach der nächsten Bedrohung.

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