Kapitel 57: Die Zeitenwelle und der Schleier der Geschichte

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Kapitel 57: Die Zeitenwelle und der Schleier der Geschichte

Die Gruppe stand inmitten der Ruinen von Karthago, als sich das Licht des Artefakts in Lyras Hand zu einem pulsierenden Strahlen intensivierte. Der Tempel von Tanit war still, die Luft schwer von der Dunkelheit, die in ihm hauste. Der letzte Funken der Dunkelheit, die sie in den Tempel geführt hatte, war jetzt nur noch ein zitternder Schatten, der in der Ecke des Raumes verschwand. Doch der Frieden, der nun herrschte, war nicht der, den sie sich erhofft hatten. In den Ruinen von Karthago gab es eine unerklärliche Leere, die sich in der Luft festsetzte, als ob die Zeit selbst versagte, ihren Kurs fortzusetzen.

„Es ist nicht vorbei“, sagte Lyra leise, das Artefakt noch immer fest in ihrer Hand. „Die Zeit ist fragmentiert, und irgendwo, tief im Gewebe der Geschichte, gibt es noch Risse, die sich nicht schließen lassen.“

„Du hast recht“, stimmte Solan zu, während er auf das Artefakt starrte. „Die Dunkelheit ist nur ein Teil eines größeren Plans. Etwas anderes hält uns hier. Etwas aus der Vergangenheit… oder der Zukunft.“

„Oder aus beidem“, fügte Kai hinzu, sein Blick auf die zerstörte Stadt gerichtet. „Karthago ist nicht das Ende. Es ist ein Brückenkopf, der uns zu einem größeren Krieg führt. Und ich fürchte, dieser Krieg geht über das hinaus, was wir bisher verstanden haben.“

„Die Zeitenwelle“, sagte Myria nachdenklich, ihre Stimme von einem tiefen Verständnis durchzogen. „Sie hat uns nicht nur hierher geführt, sie hat uns auch in eine andere Dimension der Geschichte geworfen, in die Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig. Es ist, als ob die Ereignisse sich überschneiden. Vielleicht ist das der wahre Ursprung des Schattens, den wir bekämpfen.“

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„Und was müssen wir tun?“, fragte Seraphine, ihre Augen immer noch von den Visionen, die sie empfing, getrübt. „Karthago ist gefallen, aber der Schleier der Geschichte ist nicht gefallen. Wir müssen herausfinden, wie wir diese Risse in der Zeit heilen.“

„Es gibt einen Ort“, sagte Solan plötzlich, als ob er eine Erinnerung aufgerufen hatte, die in den Tiefen seiner Gelehrsamkeit verborgen war. „Ein Ort, an dem die Zeit selbst in ihren Ursprüngen berührt wird. Der Tempel von Ysmir, tief unter der Erde, verbindet sich mit der Kraft der Sterne. Er könnte uns Antworten geben.“

„Ysmir“, wiederholte Lyra und drehte sich zu den anderen. „Ein verlorenes Wissen, das selbst die Götter nur noch in Legenden sprachen. Doch wenn es wirklich existiert, könnte es uns die Schlüssel geben, um diese Risse zu schließen und die Dunkelheit endgültig zu besiegen.“

„Dann auf zu Ysmir“, sagte Kai und klopfte mit der Faust auf den Griff seines Schwertes, das sich jetzt in eine römische Gladiusklinge verwandelt hatte. „Wir haben schon viele Orte gesehen, aber dieser könnte der Schlüssel sein.“

Und so brachen sie auf, ihre Schritte hallten durch die stillen Straßen Karthagos. Die Stadt war nicht mehr die florierende Metropole, die sie einst gewesen war. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, verbrannt und zerfallen. Doch die Zeitenwelle hatte die Erde selbst verändert, sie hatte die Stadt aus der Geschichte herausgerissen und in einen stillen Ort zwischen den Epochen geführt. Jeder von ihnen fühlte die Last dieser Veränderung, als würden sie nicht nur die Straßen betreten, sondern auch die gewaltigen Zeitzonen, die sich um die Ruinen rankten.

Als sie sich durch die Ruinen bewegten, änderte sich ihre Kleidung erneut, passte sich dem wachsenden Einfluss der Geschichte an. Lyra trug nun eine Tunika aus schwerem, gewebtem Stoff, die mit feinster Römischer Rüstung kombiniert war. Kai hatte sich in ein antikes Kriegergewand gehüllt, das die Rüstung eines römischen Legionärs trug, und Solan war mit einer Robe versehen, die sich an die Zeit und den Ort anpasste, als ob er ein Teil der uralten Gelehrtenkultur Karthagos geworden wäre. Die anderen Mitglieder der Gruppe waren ebenso in passende Kleidung gehüllt, und das Artefakt, das Lyra trug, hatte sich ebenfalls verändert. Es war nun eine elegante, schimmernde Halskette, die in einem silbernen Kreis einen winzigen Sternenstein trug.

Der Weg zu Ysmir war lang und gefährlich. Sie reisten durch Gebirgspfade, die von den unermüdlichen Kriegern des antiken Rom bewacht wurden, die in den düsteren Zeiten von Karthagos Fall zu Soldaten der Dunkelheit geworden waren. Sie kämpften gegen Naturgeister und mystische Bestien, die durch die Risse der Zeit freigesetzt wurden. Doch die Gruppe blieb unerschütterlich, denn die Dunkelheit war ein gemeinsamer Feind, der sie alle zusammenführte.

„Dieser Tempel…“, murmelte Seraphine, als sie einen Blick auf die Karte warf, die Solan ihnen überreicht hatte. „Er liegt unter der Erde. Weit unter der Oberfläche, tief im Verborgenen.“

„Genau dort, wo die Zeit verwundbar ist“, sagte Myria, deren Augen sich auf die nebulösen Wellen der Luft konzentrierten. „Dort, wo die Götter ihre Macht verloren und die Dunkelheit ihren Ursprung fand.“

Der Weg führte sie schließlich zu einem geheimen Eingang, verborgen in den Tiefen eines Gebirgspasses. Die Türen waren riesig und aus schwarzem Obsidian, bedeckt mit uralten Symbolen, die in einem merkwürdigen, leuchtenden Licht schimmerten. Der Eingang selbst schien in die Dunkelheit der Erde zu führen, und als sie hindurch traten, wurden sie von einem unheimlichen Gefühl der Entfremdung umhüllt.

„Wir betreten den Tempel von Ysmir“, sagte Solan, „wo die Sterne selbst die Schicksalsfäden der Welt weben. Hier könnte sich der Schleier der Zeit manifestieren.“

„Und hier könnten wir auch der Quelle der Dunkelheit begegnen“, fügte Lyra hinzu, die das Artefakt nun fest um den Hals trug und die Kraft darin spürte, wie sie sich mit den unsichtbaren Kräften der Erde verband. „Wir müssen vorsichtig sein.“

Im Inneren des Tempels herrschte eine düstere Stille. Überall waren Sternenbilder in das Gestein eingraviert, und die Wände waren mit uralten Inschriften bedeckt, die über das Ende der Welt und den Ursprung der Zeit erzählten. Doch der Raum war auch von einer Bedrohung erfüllt, die wie ein unsichtbares Netz in der Luft schwebte.

„Schau da!“, rief Selena Arinthal, die ihre Hände erhob, um das Licht zu bündeln. In der Mitte des Tempels, auf einem Podest aus schwarzem Marmor, lag ein Artefakt, das von einer unheimlichen Energie durchzogen war. „Es ist das Zentrum. Der Ursprung der Dunkelheit.“

„Und der Ursprung der Zeitenwelle“, flüsterte Myria. „Die Quelle von allem.“

Der Schatten, der sich in den Wänden des Tempels verbarg, begann sich zu verfestigen. Eine dunkle Gestalt, die sowohl vertraut als auch fremd war, erhob sich aus dem Boden. „Ihr seid zu spät“, dröhnte eine Stimme, die die Zeit selbst zu zerreißen schien. „Die Geschichte gehört mir.“

„Nicht heute“, antwortete Lyra, während sie sich mit festem Schritt dem Artefakt näherte, das in ihrer Hand begann zu leuchten. „Denn wir sind die Hüter des Schicksals. Und heute werden wir den Schleier zerreißen.“

Und so begannen sie ihren letzten Kampf – nicht nur um Karthago, sondern um das Gleichgewicht der Geschichte selbst.

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