Kapitel 54: Die Flammen von Karthago
Das Artefakt in Lyras Hand leuchtete hell, zog sie und ihre Gefährten erneut in die Strömungen der Zeit. Der Boden unter ihren Füßen löste sich in wirbelndem Licht auf, und eine vertraute Schwere drückte auf ihre Brust, während die Welt um sie herum verschwamm.
Als der Rausch der Reise nachließ, standen sie am Rand einer gewaltigen Stadt. Über ihnen brannte die Sonne in einer goldenen Glut, doch der Himmel war von schwarzen Rauchschwaden durchzogen. Sie erkannten die Silhouetten von Hafenanlagen, imposanten Mauern und zahllosen Schiffen in Flammen.
„Karthago“, flüsterte Solan ehrfürchtig, während er das Chaos überblickte. „Das Jahr 146 v. Chr. Der letzte Tag dieser Stadt.“
Lyra spürte die Veränderung sofort: Ihre Kleidung war nun ein leichter, sandfarbener Mantel über einer einfachen Tunika, passend für die Karthager jener Zeit. Ihr Artefakt hatte die Form eines silbernen Anhängers angenommen, der unauffällig an einer Halskette hing. Kai trug die Rüstung eines römischen Legionärs, sein Gesicht verhärtet, als er die brennenden Straßen sah.
„Das ist der Untergang von Karthago,“ sagte Solan, seine Stimme bedrückt. „Die Römer vernichten die Stadt und ihre Kultur – ein Wendepunkt in der Geschichte.“
Myria Dunkelmond trat vor, ihre Augen in die Ferne gerichtet. „Etwas stimmt hier nicht. Die Schatten sind hier, und sie beeinflussen den Verlauf dieser Ereignisse.“
Der Angriff der Schatten
Ein massiver Donnerschlag durchbrach die Schreie und den Lärm des Krieges. Auf einer Anhöhe erschien Mephos, begleitet von einem Schwarm der Schattenwesen, deren unnatürliche Bewegungen selbst den tapfersten Soldaten erstarren ließen.
„Ihr seid wie Fliegen in einem Netz“, höhnte Mephos, sein Körper von einer Aura dunkler Energie umgeben. „Doch ihr könnt weder den Untergang dieser Stadt noch euer eigenes Schicksal aufhalten.“
„Wir werden es versuchen“, sagte Kai kalt und zog sein Schwert, das nun die Gravuren des römischen Reiches trug.
Die Gruppe formierte sich instinktiv. Myria hüllte sie in einen dichten Nebel, der sie vor den Augen der Schattenwesen verbarg, während Seraphine Visionen der möglichen Angriffe empfing und sie den anderen zuspielte. Selena Arinthal, die Lichtweberin, ließ goldene Strahlen durch die Dunkelheit schneiden und trieb die Schatten zurück.
Sira Valeris verwandelte sich in einen mächtigen Löwen, sprang auf die Angreifer zu und riss mit ihren Klauen Schattenwesen in Fetzen.
Lyra hielt das Artefakt fest umklammert. „Wenn wir Mephos hier nicht stoppen, wird er diese Zeitlinie zerstören.“
Der römische General Scipio
Währenddessen näherte sich eine kleine Gruppe römischer Soldaten, angeführt von einem Mann mit scharf geschnittenen Zügen und Augen voller Entschlossenheit. Es war Scipio Aemilianus, der Kommandant der römischen Armee.
„Wer seid ihr?“ fragte Scipio, sein Schwert in der Hand, während er Lyra und die anderen musterte.
Kai trat vor, sein Auftreten selbstbewusst. „Wir sind Reisende. Wir kämpfen gegen dieselben Kräfte, die auch euch bedrohen.“
Scipio warf einen Blick auf das Chaos, das die Schattenwesen anrichteten, und nickte schließlich. „Wenn ihr fähig seid, dann zeigt es. Diese Dämonen sind nicht von dieser Welt.“
Der Kampf um Karthagos Zukunft
Gemeinsam mit den Römern stürzten sich Lyra und ihre Gefährten in den Kampf. Das Artefakt an Lyras Hals begann erneut zu pulsieren, eine uralte Melodie summend, die sie durch das Getümmel leitete.
„Das Artefakt ist der Schlüssel“, flüsterte Solan. „Es kann die Zeitlinie stabilisieren.“
„Dann beschützen wir es“, rief Kai und stellte sich Mephos entgegen.
Während der Kampf tobte, spürte Lyra, wie die Macht des Artefakts wuchs. Es begann, Risse in der Dunkelheit zu öffnen, durch die Lichtstrahlen brachen und die Schattenwesen verschlangen.
Doch Mephos war nicht bereit aufzugeben. Mit einer finsteren Geste schleuderte er eine Welle dunkler Energie auf die Gruppe, die sie zurückwarf.
„Ihr könnt die Zeit nicht ändern, ohne sie zu zerstören!“ schrie er.
Lyra stand mühsam auf, ihre Augen funkelten entschlossen. „Und du kannst die Dunkelheit nicht erzwingen, ohne dass das Licht zurückschlägt.“
Mit einem letzten, gemeinsamen Angriff bündelten die Gefährten ihre Kräfte. Das Artefakt leuchtete so hell, dass die Schattenwesen in einem Schrei der Verzweiflung verschwanden, und Mephos wurde erneut in die Zeitschleife zurückgedrängt.
Die Veränderung der Zeitlinie
Als die Dunkelheit schwand, lag Karthago noch immer in Flammen, doch etwas hatte sich verändert. Die wenigen Überlebenden der Stadt, die sich in die innere Welt zurückgezogen hatten, trugen nun das Wissen ihrer Kultur in eine neue, verborgene Zivilisation.
Lyra blickte zu Kai und Solan. „Wir können die Zerstörung nicht rückgängig machen, aber wir können dafür sorgen, dass das Wissen überlebt.“
Scipio, der die Veränderung gespürt hatte, trat vor. „Ihr seid keine gewöhnlichen Sterblichen. Doch was auch immer ihr seid, ihr habt mir geholfen, den Lauf der Geschichte zu bewahren. Dafür danke ich euch.“
Das Artefakt begann erneut zu leuchten, bereit, sie in die nächste Zeit zu ziehen.
„Wohin jetzt?“ fragte Myria leise.
„Das werden wir herausfinden“, antwortete Lyra, während die Welt um sie herum erneut in Licht und Schatten verschwand.