Kapitel 17 – Der Ruf des Pharaos

Omnifaktum
Lesedauer 3 Minuten

Kapitel 17 – Der Ruf des Pharaos

Die flirrende Hitze der Sonne fiel durch die hohen Fensteröffnungen, die mit hauchdünnen Goldschichten überzogen waren, und verwandelte den Raum in eine schimmernde, fast göttliche Sphäre. Als Lyra, Kai und Solan eintraten, umfing sie die erhabene Aura eines Ortes, der Macht, Zeit und Ewigkeit in sich vereinte. Die engen, dunklen Tunnel, die sie zuvor durchquert hatten, lagen weit hinter ihnen. Stattdessen erstreckte sich nun eine Halle von monumentalem Ausmaß vor ihnen. Riesige Säulen, mit kunstvoll gemeißelten Hieroglyphen bedeckt, ragten in die Höhe und schienen die Decke zu tragen, die in der flimmernden Dämmerung förmlich zu verschwinden schien.

„Das ist Ägypten“, sagte Kai leise, seine Stimme kaum mehr als ein Hauch. Seine Augen wanderten über die Säulen und die Wände, die mit glänzenden Reliefs bedeckt waren. „Wir müssen in der Zeit Echnatons und Nefertitis sein.“

„Das hier ist mehr als ein Palast“, murmelte Solan und trat näher an eine der Säulen heran, deren Gravuren Geschichten von Göttern und Sterblichen erzählten. „Hier verbirgt sich etwas, das älter ist als diese Mauern – etwas, das noch nicht enthüllt werden will.“

Lyras Blick fiel auf das goldene Armband, das fest an ihrem Handgelenk saß. Die feinen Symbole darauf leuchteten in einem sanften Rhythmus, als ob sie den Puls des Raumes nachahmten. Unvermittelt bemerkte sie, wie ihre Kleidung sich veränderte: Der praktische Reiseumhang und das schlichte Gewand wichen einem elfenbeinfarbenen Kleid aus feinstem Leinen, durchzogen mit zarten Goldfäden. Der Stoff schmiegte sich weich an ihre Haut, und sie fühlte sich, als sei sie plötzlich Teil der antiken Geschichten geworden, die sie einst so fasziniert hatten. Ihr treuer Dolch, stets griffbereit, hatte sich in ein schlankes Ritualmesser mit einer Klinge aus poliertem Obsidian verwandelt.

„Es ist, als ob dieser Ort uns formt“, flüsterte sie und sah zu ihren Begleitern. Kai trug nun einen weißen Leinenkilt und eine robuste Tunika, die ihn wie einen Krieger jener Zeit erscheinen ließen. Sein moderner Bogen war einem Speer gewichen, dessen bronzene Spitze kunstvoll gefertigt war. Solans Kleidung hatte sich in einen tiefvioletten Umhang verwandelt, verziert mit goldenen Mustern, die wie Sternenkonstellationen wirkten.

Brown Rusty Mystery Novel Book Cover

Hinter ihnen erklang eine bekannte Stimme. Kalos trat aus den Schatten, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. „Das Labyrinth kennt die Zeit. Es passt euch an – nicht nur eure Kleidung, sondern auch eure Essenz. Ihr seid jetzt Teil dieser Welt.“

Kaum hatte er dies gesagt, wehte ein unerwartet kühler Wind durch die Halle. Die Temperatur sank spürbar, und eine angespannte Stille breitete sich aus. Aus dem Halbdunkel der Säulen trat eine Gestalt hervor. Eine Frau mit königlicher Haltung, die Bewegungen anmutig und doch durchdrungen von Autorität. Ihr Gesicht war hinter einer kunstvoll gestalteten Maske verborgen, doch ihre Augen – tief und voller Geheimnisse – durchbohrten jeden der Anwesenden.

„Wer wagt es, den heiligen Palast der Sonne zu betreten?“ Ihre Stimme war tief und melodisch, ein Klang, der von den Mauern widerhallte und den Raum zu füllen schien.

Lyra trat vor, das pulsierende Armband an ihrem Handgelenk wie ein leuchtendes Symbol ihrer Mission. „Wir sind Reisende durch die Zeit“, begann sie mit fester Stimme, überrascht von ihrer eigenen Entschlossenheit. „Wir suchen das Wissen der Chronoskala, um die Geschichte vor dem Zerfall zu bewahren.“

Die Frau, die Kalos ehrfürchtig als Nefertiti identifizierte, musterte sie lange. Schließlich nickte sie langsam. „Wissen ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann erleuchten, aber auch vernichten. Seid ihr bereit, den Preis zu zahlen?“

„Wir haben keine Wahl“, antwortete Solan mit ruhiger Entschlossenheit. „Die Zukunft hängt davon ab.“

Mit einer anmutigen Bewegung hob Nefertiti die Hand. Die Wände der Halle begannen zu verschwimmen, und vor ihnen tauchte das Bild einer gewaltigen Pyramide auf. Ein goldenes Licht strömte aus ihrem Inneren, so hell, dass es den Raum zu überfluten schien. Das Armband an Lyras Handgelenk reagierte, seine Zeichen leuchteten intensiver.

„Dort liegt euer Ziel“, erklärte Nefertiti. „Doch der Weg dorthin ist voller Prüfungen. Nur wer Mut und Wahrheit in sich trägt, wird die Pyramide und das, was sie bewahrt, erreichen.“

Kai sah auf die sich ständig wandelnden Gänge, die vor ihnen auftauchten. „Wie sollen wir wissen, welcher Weg der richtige ist?“

„Der Weg wird sich zeigen“, sagte Kalos leise. „Vertraut eurem Instinkt.“

Mit klopfenden Herzen traten sie vor, das Armband in Lyras Hand schien den Weg zu weisen. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass dies erst der Anfang war – ein Test nicht nur ihrer Stärke, sondern auch ihres Verstandes und ihres Glaubens.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert