Kapitel 14: Der Sprung durch die Epochen
Das goldene Armband des Omnifaktums entfaltete seine Macht, und die Gruppe wurde von einem gleißenden Licht erfasst. Die Welt um sie herum zerfloss, als ob Raum und Zeit sich auflösten und neu formierten. Kai spürte ein Ziehen, ein Sog, der sie unaufhaltsam durch das Nichts trieb. Der Übergang war kaum wahrnehmbar – ein sanfter, doch spürbarer Wechsel, der ihn mit einem Ruck in die Realität zurückholte.
Sie standen auf einem steinigen Pfad, gesäumt von knorrigen Olivenbäumen, die in der warmen Brise flüsterten. Der Himmel spannte sich in einem tiefen Azurblau über ihnen, durchbrochen von wenigen, weißen Wolkenfetzen. Der Duft von Harz und wilden Kräutern erfüllte die Luft. Lyra wischte sich den Schweiß von der Stirn und bemerkte das sanfte Leuchten des Armbands an ihrem Handgelenk.
Ihre Kleidung hatte sich verändert und passte sich erneut der neuen Epoche an. Lyras modernes Kampfgewand war einem eleganten, roten Gewand aus feiner Seide gewichen, das mit goldenen Stickereien verziert war. Kai trug nun eine schlichte, aber robuste Lederrüstung mit bronzenen Applikationen. Solan, in eine Tunika aus Leinen gehüllt, komplettierte den Eindruck eines Reisenden aus der Antike mit einem Dolch, der in einer kunstvoll gearbeiteten Scheide steckte.
„Wo sind wir?“, fragte Lyra leise, ihre Augen suchten die fremde Landschaft ab.
„Griechenland“, antwortete Solan, der den Boden prüfend betrachtete. „Das ist die Umgebung von Delphi. Hier, wo Himmel und Erde einander treffen, steht das Orakel der Pythia.“
Kaum hatten die Worte den Mund des erfahrenen Historikers verlassen, erklangen Schritte. Eine Gruppe von Männern, geführt von einem älteren Mann in einer schneeweißen Tunika und mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupt, näherte sich langsam. Er blieb vor ihnen stehen, seine Augen prüften sie eingehend.
„Reisende aus der Fremde…“, begann er mit fester Stimme. „Euer Auftreten ist unüblich, und eure Ankunft wurde angekündigt. Die Pythia erwartet euch.“
Lyra trat vor und nickte dem Mann zu. „Führt uns zu ihr. Wir suchen Antworten.“
Ohne ein weiteres Wort drehte sich der Mann um und führte sie zu einem Tempel aus weißem Marmor, der sich in majestätischer Stille gegen den blauen Himmel abhob. Der Weg dorthin war gesäumt von kunstvollen Säulen und Statuen, die die Götter und Helden der griechischen Mythologie darstellten. Die Atmosphäre wurde schwerer, als sie die inneren Hallen des Tempels betraten. Weihrauch erfüllte die Luft, und der Boden war mit komplizierten Mosaiken bedeckt, die Szenen aus der antiken Welt zeigten.
Im innersten Heiligtum des Tempels saß die Pythia auf einem erhöhten Podest. Ihr weißes Gewand schimmerte im diffusen Licht, und ihre Augen, tief und unergründlich, schienen in die Seelen der Anwesenden zu blicken. Als sie sprach, hallte ihre Stimme, als käme sie aus den Tiefen der Erde.
„Ihr sucht die Wahrheit… aber bedenkt, jede Antwort birgt ihren Preis. Was wollt ihr wissen?“
Solan trat vor. „Wir suchen den Ursprung der Chronoskala“, erklärte er. „Wir glauben, dass sie der Schlüssel ist, um das Gleichgewicht der Zeiten zu bewahren.“
Die Pythia schloss für einen Moment die Augen, dann öffnete sie sie wieder. Ihre Stimme war leise, aber von tiefer Eindringlichkeit. „Der Ursprung der Chronoskala liegt verborgen in Atlantis, einem Reich, das jenseits eurer Vorstellungskraft existiert. Um dorthin zu gelangen, müsst ihr die sieben Säulen der Weisheit finden, die an den Orten verborgen sind, die ihr heute als die sieben Weltwunder kennt.“
Kai runzelte die Stirn. „Atlantis? Das sagenhafte Reich? Wir haben es schon einmal gesehen, aber es war nichts weiter als eine Ruine.“
Die Pythia nickte. „Es existiert weiterhin, doch verborgen in einer anderen Dimension der Zeit. Nur wer die sieben Säulen vereint, kann das Tor dorthin öffnen.“
Plötzlich begann der Tempel zu vibrieren, und ein unheimliches Leuchten erfüllte den Raum. Das Armband an Lyras Hand pulsierte stärker, und die Welt um sie herum begann zu verschwimmen.
„Eure Reise hat gerade erst begonnen“, flüsterte die Pythia. „Die Zeit selbst wird euch prüfen, und das Schicksal liegt in euren Händen.“
Ein gleißender Lichtstrahl erfasste die Gruppe, und mit einem erneuten Sprung durch die Epochen verschwanden sie aus Delphi, auf dem Weg zu den sieben Säulen derWunder und den Geheimnissen, die sie bargen.