Kapitel 132: Die Rückkehr nach Troja
Die Schatten der Vergangenheit verdichteten sich um das verlassene Herrenhaus, das in seinen Mauern die Geheimnisse einer zersplitterten Zeit barg. Lyras Fingerspitzen strichen über die kühle, glattpolierte Oberfläche des Artefakts, das sich an ihrem Handgelenk in eine filigrane, goldene Spange verwandelt hatte. Es schimmerte im fahlen Licht wie ein Stern, der in der Dunkelheit verborgen lag. Kai stand am Fenster, die Muskeln angespannt, während sein Blick die fremdartige Stille durchdrang.
„Troja“, murmelte Solan mit einer Stimme, die von einer Mischung aus Ehrfurcht und Ungewissheit erfüllt war. Er studierte die Karte, die sie in Jerusalem erbeutet hatten, während Myria Dunkelmond in einer Ecke des Raumes stand, halb von Nebel umhüllt, der sich wie ein lebendiges Wesen bewegte.
„Es ruft uns zurück“, sagte Lyra, ihre Augen auf Myria gerichtet, deren Gestalt sich im Nebel verlor. „Wir sind noch nicht fertig.“
Die Luft um sie begann zu vibrieren, als das Artefakt auf Solans Brust aufleuchtete und Lyras Spange mit einem leisen Klang zu pulsieren begann. Ein Riss formte sich in der Wirklichkeit selbst, und die Gefährten wurden in eine andere Zeit geschleudert.
Das fallende Troja
Der beißende Geruch von Rauch und Asche erfüllte ihre Lungen, als sie die Hitze der Flammen spürten, die Trojas Mauern verzehrten. Schreie durchdrangen die Nacht, und die Szenerie war eine Mischung aus Chaos und Eleganz. Der Fall Trojas war nicht nur eine historische Tragödie, sondern ein Schauspiel, das Götter und Sterbliche gleichermaßen in Atem hielt.
Kai, nun in die sandfarbene Tunika eines griechischen Kriegers gekleidet, zog Lyra und Solan hinter sich her. Ihre Kleidung hatte sich wieder nahtlos angepasst: Lyra trug ein himmelblaues Gewand, das ihre Bewegungen wie Wasser umfloss, während Solans Gewandung mit Mustern versehen war, die auf die Gelehrten Trojas hinwiesen.
„Die Stadt stirbt, doch die Geschichte lebt weiter“, sagte Solan, während sie sich durch die schmalen Straßen drängten.
Ein lauter Knall ließ sie innehalten. Vor ihnen erhob sich ein Mann mit einer Präsenz, die die Zeit selbst zu beugen schien: Hector, Trojas gefallener Held. Sein Gesicht war aschfahl, doch seine Augen glühten vor Entschlossenheit.
„Ihr seid nicht von hier“, sagte er mit einer Stimme, die wie Donner klang. „Aber eure Ankunft war vorhergesagt.“
Bevor sie antworten konnten, zogen die Schatten in Gestalt von Trojanischen Soldaten heran. Der Kampf war unausweichlich, doch Hector schwang sein Schwert mit einer Wucht, die selbst Kai staunen ließ.
„Folgt mir!“, rief Hector, und die Gruppe verschwand in einer unterirdischen Kammer, deren Wände mit goldenen Fresken bedeckt waren, die Szenen aus der Götterwelt zeigten.
Zwischen den Zeiten: Der Hof von Versailles
Ein weiterer Sprung katapultierte die Gefährten ins Frankreich des 17. Jahrhunderts. Die prunkvollen Hallen von Versailles waren ein extremer Kontrast zu den Ruinen Trojas. Sie standen inmitten von Spiegeln und Kristalllüstern, umgeben von der Eleganz des Sonnenkönigs Louis XIV.
„Warum sind wir hier?“ fragte Lyra, als sie versuchten, sich unauffällig unter die Adeligen zu mischen.
Myria trat hervor, ihre Nebel verwandelten sich in einen wallenden Umhang. „Die Geschichte mag fortlaufen, doch die Schatten hinterlassen ihre Spuren. Hier wird eine Entscheidung getroffen, die Jahrhunderte beeinflusst.“
In einer abgelegenen Kammer des Palastes stießen sie auf eine Gruppe von Männern in Umhängen, deren Masken aus Bronze bestanden. „Die ersten Geheimbünde“, flüsterte Solan. Sie belauschten ein Gespräch, das von der Manipulation des Throns handelte – ein Schritt, der Frankreich in die Revolution treiben würde.
Doch die Schatten waren auch hier. Sie übernahmen die Kontrolle über einen der Berater des Königs und versuchten, den Lauf der Geschichte zu ändern. Lyra, mit ihrer Intuition, erkannte die Gefahr und rief ihre Gefährten zur Handlung auf.
Im Reich der Maya
Der nächste Sprung führte sie in den Dschungel von Yucatán, wo die hoch aufragenden Pyramiden der Maya die Kulisse bildeten. Ihre Kleidung hatte sich erneut angepasst: leichte Stoffe, die sie vor der feuchten Hitze schützten.
Ein alter Maya-Schamane, dessen Augen die Farbe des Smaragds hatten, begrüßte sie. „Ihr seid die Reisenden zwischen den Welten. Unsere Prophezeiungen sprachen von euch.“
Kai zeigte ihm die Artefakte, die sie trugen, und der Schamane nickte. „Die Sterne haben uns gewarnt. Ein Sturm nähert sich, einer, der die Zeit selbst zerstören könnte.“
Die Gefährten halfen, ein Ritual durchzuführen, das den Fluss der Zeit stabilisieren sollte. Doch ein unerwarteter Angriff der Schatten – in Form von Jaguarkriegern – unterbrach das Ritual. Es kam zu einem epischen Kampf auf den Stufen der Pyramiden, bei dem Lyra ihre Fähigkeit entdeckte, das Artefakt als Waffe einzusetzen, indem sie Lichtstrahlen freisetzte, die die Dunkelheit durchdrangen.
Der Weg nach Russland
Mit jeder Epoche wurden die Sprünge intensiver, die Aufgaben schwieriger. Sie fanden sich in der russischen Steppe des 13. Jahrhunderts wieder, während die Mongolen unter Batu Khan den Fluss Wolga überquerten.
Die Steppe war von einem Sturm heimgesucht, und die Gefährten mussten sich nicht nur den Schatten, sondern auch den Kräften der Natur stellen. Myria nutzte ihre Nebel, um sie vor den patrouillierenden Truppen zu verbergen, während Kai in den Kampf mit mongolischen Kriegern verwickelt wurde, die unter dem Einfluss der Schatten standen.
Ein weiser Mann, ein Chronist am Hofe der Goldenen Horde, gab ihnen entscheidende Informationen: „Die Schatten weben ihre Intrigen in allen Epochen. Doch der Schlüssel liegt in eurer Einheit. Bleibt zusammen, und ihr werdet die Zeit retten.“
Das Ende des Kapitels: Der Kreis schließt sich
Erschöpft und mit Narben aus verschiedenen Zeiten standen die Gefährten schließlich erneut vor den Mauern Trojas. Doch die Stadt war nicht mehr dieselbe. Die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen, und die Schatten hatten ihr Spiel noch nicht beendet.
„Es ist ein Kreis“, flüsterte Solan. „Wir kehren immer wieder zurück, bis die Geschichte vollständig ist.“
Lyra blickte in die Ferne, wo der Horizont in Flammen stand. „Dann sollten wir uns beeilen.“
Das nächste Kapitel wartete, und die Gefährten wussten, dass ihre Reise noch lange nicht zu Ende war.