Kapitel 130: Die Flammen von Troja
Die Sterne über Troja flackerten seltsam, als ob sie die Ereignisse, die sich entfalten würden, schon vorwegnehmen wollten. Der karge Hügel, auf dem die alten Ruinen thronten, schien zu atmen – eine Erinnerung an eine verlorene Zeit, eine Warnung vor dem, was kommen würde. Kai, Lyra und Solan standen im warmen Wind, der den Staub vergangener Schlachten mit sich trug. Ihre Artefakte, die im Licht des aufgehenden Mondes schimmerten, hatten sich verändert: Sie trugen jetzt die Gravuren antiker griechischer Muster.
„Wir sind wieder hier,“ sagte Lyra leise, ihre Stimme durchzogen von einem Hauch Melancholie. „Aber es ist anders. Seht euch die Ruinen an – sie atmen Leben.“
Solan betrachtete die gewaltigen Mauern, die einst die Stadt geschützt hatten. „Die Schatten haben hier mehr zurückgelassen, als wir dachten. Troja war schon immer mehr als ein Ort; es ist ein Knotenpunkt in der Zeit.“
Kai, der sein Schwert – nun ein perfekt ausbalanciertes Xiphos – zog, nickte. „Dann sollten wir vorsichtig sein. Die Vergangenheit mag ruhen, aber sie schläft nie tief.“
Zwischen den Zeitaltern
Die Englischen Rosenkriege (1455–1487)
Der nächste Sprung führte sie in das Jahr 1485, auf die staubige Ebene von Bosworth Field. Englische und walisische Truppen standen sich gegenüber, Banner mit dem roten und weißen Löwen wehten im Wind. Richard III., in eine glänzende Rüstung gehüllt, saß auf seinem Pferd und blickte über das Schlachtfeld.
Die Gefährten trugen jetzt Kleidung, die sich perfekt in die Szenerie einfügte: schlichte Lederwämser für Kai und Solan, ein einfaches Leinenkleid für Lyra. Ihre Artefakte hatten sich in unauffällige Schmuckstücke verwandelt, kaum mehr als Amulette.
„Es ist unheimlich, wie sich alles anpasst,“ murmelte Lyra, als sie durch die Reihen der Soldaten schlich.
„Es muss so sein,“ erklärte Solan. „Die Zeit will sich selbst schützen. Auffälligkeiten würden uns verraten.“
Kai hielt die Augen auf einen Mann gerichtet, der sich zwischen den Linien bewegte. Seine Haltung und sein Verhalten waren ungewöhnlich – zu selbstsicher, zu modern.
„Das ist nicht nur ein einfacher Spion,“ flüsterte er. „Das ist jemand, der hier nichts zu suchen hat.“
Der Mann, der sich als Gavrik ausgab, schien mehr über die Schlacht zu wissen, als er sollte. Er sprach in Andeutungen, doch seine Worte lenkten Richard III. in eine Richtung, die Kai nur allzu bekannt vorkam. „Mephos steckt dahinter,“ sagte Kai schließlich.
Der Fall von Granada
Ihre Reise führte sie zurück nach Spanien, in die letzten Tage der Reconquista. Die Alhambra war ein blendender Kontrast zu den rauen Schlachtfeldern Englands – ihre goldenen Wände und kunstvollen Ornamente wirkten wie eine Zeitkapsel. Doch unter der Oberfläche brodelte die Angst vor Veränderung.
Die Gefährten trafen auf Boabdil, den letzten Nasridenkönig, dessen Gesicht von Sorgen gezeichnet war. „Ihr seid keine gewöhnlichen Besucher,“ sagte er, als sie ihm eine verschlüsselte Botschaft zeigten, die sie aus Troja mitgenommen hatten.
„Und ihr seid kein gewöhnlicher König,“ erwiderte Lyra. „Ihr wisst mehr über die Schatten, als ihr zugebt.“
Boabdil zögerte, dann führte er sie in eine versteckte Kammer, deren Decke von Sternenkonstellationen übersät war. „Die Sterne erzählen Geschichten,“ sagte er. „Und sie warnen vor dem, was kommen wird.“
Ein verborgenes Artefakt, das in der Kammer aufbewahrt wurde, schien mit den Anhängern der Gefährten zu harmonieren. „Es ist ein Stück des Kompasses,“ erkannte Solan. „Wir nähern uns dem Kern.“
Stürme und Piraten
Die nächste Etappe brachte sie in das Jahr 1717, an Bord der Queen Anne’s Revenge, dem Schiff von Blackbeard. Der berüchtigte Pirat war noch imposanter, als die Legenden es beschreiben: Seine schwarze Silhouette gegen das Licht des Mondes, der Rauch, der aus seinem Bart aufstieg, als wäre er selbst eine lebende Fackel.
„Wer seid ihr?“ fragte er, während er ein massives Entermesser in der Hand hielt.
„Wir sind Verbündete,“ sagte Kai kühl.
Blackbeard war skeptisch, doch ein Angriff durch die britische Marine zwang sie alle, zusammenzuarbeiten. Die Schlacht war ein Gewirr aus Explosionen, Schreien und klirrendem Stahl.
„Ich habe keinen Platz für Mystiker auf meinem Schiff,“ knurrte Blackbeard, als die Gefährten ihm halfen, eine letzte Kanone zu laden.
„Und wir haben keinen Platz für Zweifel,“ konterte Lyra.
Am Ende halfen sie, die britische Fregatte zurückzudrängen, doch der Preis war hoch. Blackbeard, dem der Tod bald bevorstehen sollte, übergab ihnen eine Karte mit einem seltsamen Symbol: das gleiche, das sie in Troja und Granada gefunden hatten.
Die Guillotine und die Aufstände
1789 – Paris bebte. Die Straßen waren überfüllt, und die Menschen schrien nach Freiheit. Die Bastille war gefallen, und die Revolution hatte ihren Lauf genommen. Die Gefährten bewegten sich durch eine Welt aus Rauch, Blut und Hoffnung, während Figuren wie Maximilien Robespierre und Georges Danton Reden hielten, die die Menge in Ekstase versetzten.
„Dies ist der Wendepunkt der Menschheit,“ sagte Solan ehrfürchtig. „Aber auch hier hinterlässt Mephos seine Spuren.“
In den Katakomben von Paris fanden sie einen Geheimbund, der als Die Sternenwächter bekannt war. Ihre Anführer waren einige der berühmtesten Denker der Aufklärung, darunter Voltaire und Rousseau.
„Ihr sucht die Wahrheit,“ sagte Voltaire mit einem wissenden Lächeln. „Doch seid gewarnt: Wahrheit ist das gefährlichste Werkzeug.“
Der Zyklus der Zeit
Durch Napoleonische Schlachten, viktorianische Gesellschaften und den ersten Weltkrieg führten die Schatten ihre Spuren. Jedes Mal waren die Gefährten gezwungen, sich der Vergangenheit zu stellen und gleichzeitig die Zukunft zu schützen.
Als sie schließlich im Jahr 1925 in ein ländliches Anwesen in Schottland zurückkehrten, war die Zeitlinie erneut verschoben. „Hier waren wir schon einmal,“ sagte Lyra.
Doch der Ort war anders: Die Ruinen hatten sich in ein prächtiges Herrenhaus verwandelt, und die Artefakte schienen stärker denn je.
„Das ist das Herz der Schatten,“ flüsterte Solan.
Die Gefährten wussten, dass der nächste Schritt der gefährlichste von allen sein würde. Doch sie hatten keine Wahl. Die Schatten mussten fallen – und die Zeit selbst hing von ihrem Erfolg ab.