Kapitel 129: Die Umbrüche des Mittelalters

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Kapitel 129: Die Umbrüche des Mittelalters

Die Sterne über dem kleinen Dorf schienen wie Boten einer Zeit, die sie noch nicht betreten hatten. Der Mond goss sein Licht in die Schlucht, die sich hinter dem Dorf erstreckte, und die Stille der Nacht legte sich schwer auf die Schultern der Gefährten. Lyra, Kai und Solan standen beisammen, ihre Blicke auf die karge Landschaft gerichtet. Die Artefakte, die sie trugen – jetzt als schlichte Anhänger an ihren Hälsen erkennbar – schimmerten schwach im Mondlicht.

„Es fühlt sich an, als hätten wir die Zeit selbst überdehnt“, sagte Solan leise und blickte zu den Sternen. „Doch die Schatten des Schicksals weben weiter, und wir haben die Verantwortung, die Fäden zu entwirren.“

Kai, der die Klinge an seinem Gürtel überprüfte, nickte. „Wir haben so viel gesehen – Könige, Schlachten, Stürme. Aber die Wahrheit ist, dass wir nur einen Bruchteil der Geschichte verändert haben. Mephos hat seine Fäden tiefer gesponnen, als wir ahnen.“

„Dann ist es an der Zeit, weiterzugehen“, sagte Lyra mit Nachdruck. „Die nächste Epoche wartet.“

Die Umbrüche des Mittelalters

Der Nebel, der sie jedes Mal durch die Zeit führte, umhüllte sie erneut. Diesmal landeten sie mitten in einem schneidenden Windstoß. Vor ihnen erhob sich eine gigantische Burg, deren Türme in den düsteren Himmel ragten. Es war das Jahr 1347, und sie befanden sich in der Normandie, am Hofe König Philipps VI.

Das Leben hinter den Burgmauern war geprägt von Härte und Entbehrung. Die Frauen trugen schwere Wollkleider, während die Ritter in ihren glänzenden Rüstungen durch den Hof patrouillierten. Die Luft war erfüllt von dem Geruch nach Feuerholz und dem dumpfen Klang von Hämmern aus der Schmiede.

Doch die Idylle war trügerisch. Die Pest hatte Europa erreicht und brachte den Tod schneller, als die Heiler ihn bannen konnten. Die Straßen waren gesäumt von Leichenkarren, und die wenigen Überlebenden suchten verzweifelt Schutz vor der unsichtbaren Bedrohung.

Om 25

„Es ist schlimmer, als ich je gelesen habe“, flüsterte Solan, während er das Chaos beobachtete.

„Wir können nicht alle retten“, sagte Kai ernst. „Aber wir müssen herausfinden, ob Mephos hier ist.“

Ihre Suche führte sie zu einem geheimen Treffen in den Tiefen der Burg. Dort versammelte sich ein Geheimbund, der sich Die Bruderschaft des Schwarzen Mondes nannte. Ihr Anführer, ein Mann mit dem Namen Lucan von Avignon, behauptete, das Wissen der Sterne zu nutzen, um die Katastrophen vorherzusagen.

„Ihr seid keine gewöhnlichen Reisenden“, sagte Lucan und musterte sie misstrauisch. „Die Artefakte, die ihr tragt, gehören nicht in diese Zeit.“

Lyra trat vor. „Ihr auch nicht, Lucan. Ihr kennt den Ursprung dieser Finsternis.“

Lucan zögerte, bevor er nickte. „Die Pest ist mehr als eine Krankheit. Es ist eine Verzerrung der Zeit, ein Schatten, der durch die Welten reist.“

In den Ruinen von Granada

Die nächste Reise führte sie in die spanische Stadt Granada im Jahr 1492, als die letzten muslimischen Herrscher der Alhambra vor den herannahenden Truppen der Katholischen Könige kapitulierten. Die prachtvollen Gärten der Alhambra waren von einer fast überirdischen Schönheit, doch die Spannung in der Luft war greifbar.

„Dies ist das Ende einer Ära“, sagte Solan, während sie durch die verzierte Löwenhalle schritten. „Die Reconquista hat alles verändert.“

Kai bemerkte jedoch bald, dass ein seltsames Muster in den Mosaiken der Wände verborgen war – eine Schrift, die keiner Zeit zuzugehören schien. Es war eine Botschaft von Mephos, ein Hinweis darauf, dass er auch hier seine Finger im Spiel hatte.

Gemeinsam entschlüsselten sie die Zeichen, die sie zu einer geheimen Kammer führten. Dort fanden sie ein Artefakt, das wie ein Kompass aussah, doch statt Himmelsrichtungen zeigte es andere Zeiten an.

„Das ist der Schlüssel zu den Schatten“, erkannte Lyra. „Wir müssen ihn schützen.“

Sturm über dem Atlantik

Ihre nächste Reise brachte sie an Bord eines Schiffes im Jahr 1717. Die Flagge des berüchtigten Piraten Edward Teach – besser bekannt als Blackbeard – flatterte im Sturm. Der Atlantik tobte, und die Kanonen donnerten, als zwei Schiffe im tödlichen Duell gegeneinander antraten.

„Das ist Wahnsinn!“ rief Kai, der sich am Mast festklammerte.

„Es ist Geschichte“, erwiderte Solan trocken, während er versuchte, die Situation zu analysieren.

Blackbeard selbst trat auf sie zu, ein kolossaler Mann mit einem schwarzen Bart, aus dem Rauch zu steigen schien. „Wer seid ihr, die ihr durch die Zeit reist?“ fragte er mit einer Stimme, die so rau war wie das Meer.

„Verbündete, wenn ihr uns vertraut“, antwortete Lyra.

Blackbeard musterte sie einen Moment lang, bevor er nickte. „Dann helft mir, diese Bastarde zu besiegen.“

Gemeinsam gewannen sie die Schlacht, doch Lyra wusste, dass Blackbeards Schicksal besiegelt war. „Wir können die Geschichte nicht ändern“, flüsterte sie, als sie das Schiff verließen. „Aber wir können sie verstehen.“

Die Rufe von Versailles

Das Jahr 1789 rief sie zurück nach Frankreich. Diesmal waren sie Zeugen des Sturms auf die Bastille. Die Straßen von Paris waren ein brodelnder Kessel aus Wut und Hoffnung. Die Menschen schrien nach Freiheit, und die Guillotine wurde zum Symbol einer neuen Ordnung.

„Seht euch das an“, sagte Solan, während sie durch die Straßen gingen. „Das ist der Wendepunkt.“

Kai entdeckte unter den Rebellen einen jungen Mann, der später als Napoleon Bonaparte bekannt werden sollte. „Er ist noch ein Niemand“, sagte Kai.

„Aber nicht mehr lange“, erwiderte Solan.

Zwischen den Zeiten

Die Gefährten bewegten sich weiter durch die Epochen, durch Naturkatastrophen und Kriege, durch goldene Zeitalter und dunkle Stunden. Jeder Ort, den sie besuchten, trug die Narben von Mephos’ Einfluss. Doch mit jedem Schritt kamen sie ihrem Ziel näher: der Quelle der Schatten.

Als sie sich schließlich wieder in einer vertrauten Landschaft fanden – am Fuße der alten Ruinen von Troja – wussten sie, dass sie ihrem letzten Kampf näher waren als je zuvor. Die Sterne über ihnen schienen stillzustehen, als ob die Zeit selbst den Atem anhielt.

„Es ist fast vorbei“, sagte Lyra. „Doch der letzte Schatten wird der schwerste sein.“

Kai zog seine Waffe, die nun in der Form eines alten griechischen Xiphos leuchtete. „Dann lasst uns diesen Kampf beenden.“

Und so gingen sie weiter – in die Dunkelheit, in die Geschichte, in das Schicksal, das sie selbst webten.

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