Kapitel 124: Die Schatten der Veränderung
Der Nebel zog sich weiter, eine undurchdringliche Wand aus Zeit und Raum, die die Gefährten von einem Ort zum anderen transportierte. Dieses Mal fanden sie sich nicht in einer einzigen Ära wieder, sondern in einem Wirbel von Epochen und geschichtlichen Wendepunkten, die sich zu einem einzigen, mächtigen Strom vermischten. Sie spürten, wie der Boden unter ihren Füßen vibriert und sich die Luft dichte, fast greifbare Schleier bildeten, die den Verlauf der Zeit selbst zu verschieben schienen.
„Es fühlt sich an, als ob wir in einem endlosen Strudel feststecken“, sagte Kai, während er sich an einem Pfahl festhielt, der von den Ruinen einer längst vergangenen Zivilisation stammte. Der Himmel war in ständiger Bewegung, von den Farben eines Morgenrot bis zu den düsteren Wolken eines heraufziehenden Gewitters.
„Wir sind an einem Wendepunkt“, erklärte Solan, der, so wie immer, die Veränderungen in der Geschichte spürte. „Die Schleifen der Zeit überschneiden sich, und wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in den Falten der Vergangenheit verlieren. Hier verschwimmen die Epochen, die Konfrontationen, die Schlachten, zu einer einzigen, chaotischen Symphonie.“
„Wir haben diese Orte schon einmal betreten“, sagte Lyra, und ein entschlossener Blick lag in ihren Augen. „Doch etwas ist anders. Diese Zeitlinien haben sich verschoben. Erinnerst du dich an Paris, Solan? Es war nicht das, was wir erwartet hatten. Und genauso wenig wird der Verlauf dieser Schlacht dem entsprechen, was einmal war.“
Solan nickte nachdenklich. „Der Nebel hat mehr als nur den Verlauf der Geschichte verändert. Er hat den Fluss der Dinge selbst gekrümmt. Wir müssen herausfinden, wer oder was dahintersteckt, bevor es zu spät ist.“
Doch die Reise war nicht einfach, und die Herausforderungen, die vor ihnen lagen, schienen sich mit jedem Schritt zu vervielfachen. Kaum hatten sie sich von der verschlungenen Zeit in Paris verabschiedet, fanden sie sich an einem ganz anderen Ort wieder – einer gewaltigen Wüste, die durchzogen war von den düsteren Ruinen vergangener Imperien.
Auf den Feldern von Hastings
„Hastings, 1066“, murmelte Kai, als er die weiten Felder überblickte, die noch immer von den Schlachten jener Zeit durchzogen waren. Doch das, was sie vorfanden, war nicht die historische Realität, die sie aus den Schriften kannten. Stattdessen standen sie am Rande eines Schauspiels, das sich auf dem Schlachtfeld abspielte, das von dunklen, verzerrten Kreaturen bevölkert war.
„Das ist nicht der Verlauf, den wir kennen“, sagte Solan und deutete auf die überlebenden Krieger, deren Bewegungen verzerrt und unnatürlich wirkten. „Mephos‘ Einfluss reicht bis hierher. Der Nebel hat die Seelen der Krieger versklavt. Was hier geschieht, ist nicht der natürliche Lauf der Geschichte. Etwas anderes kontrolliert dieses Ereignis.“
„Die Schlacht wird nie enden, nicht auf diese Weise“, sagte Lyra, deren Blick sich zu einem kleinen Hügel richtete, auf dem der gefallene König Harold II. in einer grotesken, verzerrten Form erneut aufstand. „Und wir müssen verhindern, dass das passiert.“
Ihre Aufgabe war klar: Sie mussten die Dunkelheit von Mephos und den Nebel, der über der Schlacht lag, zerreißen. Doch nicht nur diese Schlacht war betroffen. Das Schicksal der gesamten Zeitlinie hing am seidenen Faden, und die Gefährten wussten, dass sie sich auf eine noch viel gefährlichere Reise begeben würden.
Die Rückkehr in die Zeit des Wissens
Nach der Flucht aus Hastings fanden sich die Gefährten erneut an einem prunkvollen Ort wieder – Bagdad im 13. Jahrhundert, zur Zeit des islamischen Goldenen Zeitalters. Doch auch hier hatte der Nebel seine Finger im Spiel. Der prächtige, leuchtende Markt, der sonst von Gelehrten, Händlern und Philosophen bevölkert war, war nun von einer unheimlichen Stille umgeben.
„Ich hatte diesen Ort als lebendig in Erinnerung“, sagte Solan und blickte auf die glänzenden Minarette und die goldenen Kuppeln der Paläste. „Doch hier herrscht nichts anderes als Schweigen. Der Nebel hat diese Stadt ebenfalls heimgesucht.“
„Es fühlt sich an, als ob das Wissen selbst in den Wänden dieser Stadt gefangen ist“, sagte Lyra, als sie die Gassen entlangging, die mit duftenden Gewürzen und exotischen Stoffen durchzogen waren. „Doch ich spüre etwas anderes, etwas Dunkles, das diesen Ort durchzieht.“
Die Gefährten begannen, die Straßen von Bagdad zu durchstreifen, um mehr über den Einfluss des Nebels herauszufinden. Schließlich trafen sie auf einen alten Gelehrten – Al-Razi, dessen Werke in der ganzen Welt bewundert wurden. Doch anstatt der erleuchteten Weisheit, die sie erwartet hatten, begegneten sie einem Mann, dessen Augen von der Dunkelheit des Nebels verdunkelt waren.
„Der Nebel ist der Fluss des Wissens, der alles in sich aufnimmt“, sagte Al-Razi mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. „Er ist der unsichtbare Draht, der alle Fäden der Geschichte zieht. Was ihr sucht, ist tief im Inneren dieser Zeit verborgen. Doch beachtet, er verändert nicht nur das Wissen, sondern auch die Menschen, die es suchen.“
„Was können wir tun, um ihn zu stoppen?“ fragte Kai, sein Blick hart und entschlossen.
„Der Nebel kann nur durch den Kampf gegen das Vergessen besiegt werden“, antwortete Al-Razi. „Nur wenn ihr die wahre Geschichte findet und sie für immer bewahrt, kann der Nebel sich zurückziehen.“
Die Reise durch die Jahrhunderte führte sie weiter – von den prunkvollen Hallen von Kairo zur untergehenden Welt von Rom, von den Schlachtfeldern des Mittelalters zu den Ruinen der großen Zivilisationen. Der Nebel war immer dort, ein ständiger Begleiter, der sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft prägte.
Der Beginn einer neuen Ära
„Seht, wir sind nicht die Einzigen, die die Vergangenheit verändern wollen“, sagte Solan eines Abends, als sie in einem alten Gebäude inmitten der Ruinen von Rom verweilten. „Es gibt Mächte, die weit über uns hinausgehen. Und es gibt Geheimbünde, die wissen, wie sie die Zeit beeinflussen können.“
„Dann sollten wir ihnen zuvorkommen“, sagte Lyra, als sie den Blick auf einen alten, verborgenen Schrein richtete, der voller Symbole war, die sie zuvor noch nie gesehen hatten.
„Der Nebel hat seinen Ursprung in diesen alten Geheimnissen“, erklärte Solan, als er die Inschriften untersuchte. „Doch die Lösung liegt in der Vergangenheit, in den Kämpfen, die die großen Krieger dieser Zeit geführt haben. Unsere Reise geht weiter.“
Der Nebel hatte die Gefährten in eine Geschichte geworfen, die sich ständig veränderte und neu erfand. Doch ihre Entschlossenheit war ungebrochen. Sie kämpften nicht nur gegen den Nebel, sondern auch gegen die Schatten der Geschichte, die versuchten, die Wahrheit zu verschleiern.
Die nächste Etappe ihrer Reise war klar. Sie würden weiterreisen, durch die Zivilisationen der Antike, den Orient, das europäische Mittelalter, und sie würden den Nebel aufhalten – zusammen, als Einheit, als Hüter der Geschichte. Doch was sie an den nächsten Orten erwarten würde, war ungewiss. Und in diesem unaufhörlichen Wirbel der Zeit würde niemand wissen, wie lange es dauern würde, bis sie endlich die Freiheit der Geschichte zurückerlangten.