Kapitel 122: Die Schatten der Freiheit

Rb
Lesedauer 4 Minuten

Kapitel 122: Die Schatten der Freiheit

Die Gefährten standen nun am Rande eines neuen Kapitels ihrer Reise. Der Nebel war dichter geworden, und ihre Augen mussten sich an die schwankende Grenze zwischen Realität und Fantasie gewöhnen. In den letzten Tagen hatten sie die schmerzliche Wahrheit erkannt: Sie waren nicht nur Reisende in der Zeit, sondern auch Akteure in einem gewaltigen Drama, dessen Ausmaß sie erst zu verstehen begannen.

„Mephos’ Einfluss reicht tiefer, als wir je gedacht haben“, sagte Solan, als sie durch die zerstörten Straßen von Paris schritten. „Er hat sich den Verlauf der Geschichte zu eigen gemacht. Wir haben nicht nur mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen, sondern auch mit den Konsequenzen der Zukunft.“

Lyra, Kai, Solan und die anderen Gefährten blickten sich an. Sie waren ein eingeschworenes Team, dessen Schicksal untrennbar miteinander verbunden war. Der Nebel, der sie immer wieder zurückführte, hatte sie an Orte gebracht, die sie früher nur als flüchtige Erinnerungen kannten. Doch jetzt war der Nebel anders. Er zog sie nicht nur in die Zeit zurück, sondern veränderte sie. War es wirklich Paris, das sie kannten? Oder war es nur ein Abbild der einstigen Stadt, gezeichnet von den düsteren Visionen, die Mephos mit sich brachte?

„Wir müssen uns weiter vorwärtsbewegen“, sagte Lyra, ihre Stimme fest und entschlossen. „Der Nebel wird uns nicht aufhalten, solange wir an die Freiheit glauben, die noch immer in den Strömungen der Geschichte verborgen ist.“

In den nächsten Tagen reisten sie weiter, ihre Schritte führten sie durch die verwirrenden Epochen. Die Gefährten fanden sich plötzlich auf dem Schlachtfeld von Hastings wieder, wo 1066 die Normannen unter Wilhelm dem Eroberer gegen die Angelsachsen kämpften. Der Geruch von Blut, Schweiß und Eisen lag in der Luft, und das ohrenbetäubende Dröhnen der Schlacht hallte über das weite Land.

„Ich habe diese Schlacht schon einmal gesehen“, murmelte Kai, als er mit Solan und Lyra durch das Chaos navigierte. „Doch diesmal ist etwas anders. Die Kräfte, die hier wirken, sind nicht nur die der Krieger. Etwas Unheimliches schwingt in der Luft.“

„Mephos’ Einfluss“, sagte Solan. „Er verändert alles, was wir hier sehen. Nicht nur die Schlacht ist real – auch der Nebel, der die Zeit verformt, wird zu einem Teil von diesem Krieg.“

Kai nickte. „Aber wir haben keine Wahl, wir müssen kämpfen. Das ist der einzige Weg, den wir vor uns sehen können.“

Om 25

Inmitten des Schlachtgetümmels trafen sie auf eine unerwartete Verbündete: Lysandra, die furchtlose Piratenkapitänin, die sie bereits auf ihrer Reise begleitet hatte. Sie kämpfte mit einer Wildheit, die selbst die stürmischsten Wellen herausforderte. Doch auch Lysandra spürte den schleichenden Einfluss des Nebels.

„Der Nebel ist überall“, sagte Lysandra, während sie einen feindlichen Krieger niederstreckte. „Er verändert nicht nur die Zeit, sondern auch die Menschen. Seht ihr, wie sie kämpfen? Das ist nicht die natürliche Art zu kämpfen – diese Männer sind nicht wie sie selbst. Sie wurden verändert.“

„Wir müssen weiterziehen“, sagte Solan und zog die Gruppe in Sicherheit, als die Schlacht immer heftiger wurde. „Dieser Ort hat uns schon einmal gezeichnet, aber wir dürfen nicht vergessen, warum wir hier sind. Der wahre Feind ist nicht die Armee, sondern der Nebel, der die Geschichte in seine Fänge zu nehmen droht.“

Nachdem sie das Schlachtfeld verlassen hatten, fanden sie sich in einer neuen Zeit wieder – in der Mitte des 13. Jahrhunderts, im Herzen des islamischen Goldenen Zeitalters. Bagdad war eine prachtvolle Stadt, ihre Straßen gefüllt mit den Gerüchen von Gewürzen und exotischen Waren. Die hohen Minarette ragten majestätisch in den Himmel, und die Märkte waren überquellend von Leben. Doch auch hier war der Nebel nicht fern.

„Bagdad“, sagte Solan, „die Stadt der Weisheit. Hier trafen sich die großen Gelehrten und Philosophen. Doch der Nebel hat auch diese Stadt verändert. Schaut euch nur die Straßen an. Die Luft ist so schwer, als würde die Geschichte selbst erdrückt.“

„Und dennoch“, sagte Lyra, „findet man hier noch immer Wissen. Die Vergangenheit lebt hier weiter, in den Köpfen der Menschen.“

Sie trafen auf einen Gelehrten, der sich ihnen als Al-Razi vorstellte, ein berühmter Arzt und Philosoph jener Zeit. Er schien von den seltsamen Ereignissen um sie herum wenig beeindruckt zu sein. „Die Geschichte ist wie ein Fluss, der sich in immer neue Wege windet. Der Nebel, von dem ihr sprecht, ist ein Teil dieses Flusses. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich zeigt. Aber auch die größten Gelehrten finden ihn schwer zu begreifen.“

Doch der Nebel war nicht der einzige, der die Gefährten herausforderte. In den Schatten von Bagdad sammelte sich ein Geheimbund, dessen Ziele sie nur schwer erfassen konnten. Es waren die „Al-Muharibun“, die „Krieger des Wissens“, die ihre eigenen, dunklen Ambitionen verfolgten. Ihre Augen schienen die Gefährten zu verfolgen, immer dann, wenn sie sich in der Nähe der großen Bibliotheken und Denkmäler aufhielten.

„Wir müssen weiter“, sagte Kai, als sie spürten, dass die Aufmerksamkeit der Al-Muharibun auf ihnen gerichtet war. „Wir dürfen uns nicht von den Fesseln der Vergangenheit aufhalten lassen. Der wahre Feind ist der Nebel und die Macht, die Mephos über die Geschichte gewonnen hat.“

Ihre Reise führte sie weiter nach Kairo, wo die prunkvollen Paläste der Sultane ihnen eine neue Herausforderung stellten. Der prachtvolle Hof des Sultans war von einer Atmosphäre der Macht und des Geheimnisses durchzogen. Es war der Ort, an dem sich die großen Philosophen, Dichter und Krieger der islamischen Welt versammelten. Doch auch hier war der Nebel präsent – unsichtbar, aber spürbar in der Luft, und mit jedem Schritt verstärkte er sich.

„Hier, in diesen Hallen, ist die Zeit so dicht, dass man sie fast greifen kann“, sagte Lyra, als sie durch die Gänge der Paläste gingen. „Die Geschichte scheint stillzustehen, als ob sie in den Mauern dieser Hallen gefangen ist.“

„Es ist der Nebel“, sagte Solan. „Er hat sich in den feinen Gelehrten von Kairo eingenistet. Aber wir können uns nicht von der Vergangenheit aufhalten lassen. Wir müssen weiter, bevor auch dieser Ort in Dunkelheit versinkt.“

Die Gefährten wussten, dass ihre Reise noch lange nicht vorbei war. Sie hatten in ihren Abenteuern viele Gesichter getroffen – Freund und Feind, Gelehrten und Krieger, Herrscher und Piraten. Doch die wahre Herausforderung lag noch vor ihnen. Der Nebel zog sie weiter, durch die wechselnden Zeiten und die umwälzenden Kriege, die Europa und die Welt erschütterten.

In den kommenden Jahren standen sie Seite an Seite mit den großen Kriegern der Geschichte. Sie kämpften in den französischen und englischen Kriegen, bei den Kreuzzügen und in den Kämpfen um die Unabhängigkeit Schottlands. Sie begegneten großen Führern wie Richard Löwenherz und Saladin, sahen die Aufstände der Bauern und die Vernichtung der Pest, die ganz Europa heimsuchte.

Doch in jedem dieser Zeiten waren sie mehr als nur Beobachter. Sie waren Teil der Geschichte, und jeder Schritt, den sie taten, formte das Schicksal der Welt. Sie waren die Hüter des Wissens und der Freiheit – und ihre Reise war noch lange nicht zu Ende.

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