Kapitel 113: Die Schatten der Geschichte
Der Wind hatte sich gedreht, und die See war ruhiger geworden, als die Gruppe ihren Weg über den belebten Hafen fortsetzte. Der Piratenkapitän, der sie mit der Karte der spanischen Armada und den Hinweisen auf den geheimen Bund versorgt hatte, verschwand mit einem letzten, warnenden Blick hinter dem Vorhang. Die Sonne stand nun tief am Himmel, und der Hafen war von einem goldenen Licht durchzogen, das die schäbigen Häuser und holprigen Straßen wie in eine vergängliche Wundergestalt tauchte.
„Es ist unheimlich ruhig“, murmelte Solan und ließ den Blick über das aufbrausende Meer schweifen. „Zu ruhig. Es ist, als ob die Geschichte kurz inne hält, bevor sie sich wieder aufbäumt.“
Lyra nickte, ihre Augen suchten die Horizontlinie ab. „Mephos‘ Einfluss ist wie ein Riss in der Zeit. Wenn wir ihn nicht stoppen, wird er alles, was wir je kannten, verformen.“
„Dann sollten wir uns nicht aufhalten lassen“, sagte Kai mit einer Entschlossenheit, die sich in seiner Stimme widerspiegelte. „Es gibt noch so viel zu tun.“
Die Gruppe zog weiter, ihre Schritte führten sie durch die dichten Gassen der Stadt. Als sie eine alte, von Flechten bedeckte Mauer erreichten, fühlten sie es fast gleichzeitig: ein Zittern in der Luft, das Gefühl, dass sie wieder an einem Ort waren, den sie schon einmal betreten hatten. Der Ort selbst war nicht neu, doch die Zeit hatte ihn verändert. Der Geheimbund, von dem der Piratenkapitän gesprochen hatte, lag nun unter den Falten der Geschichte verborgen, doch seine Präsenz war immer noch spürbar.
„Hier müssen wir suchen“, sagte Solan, als er die Wände der alten, verlassenen Kirche absuchte. „Ich erinnere mich an diesen Ort. Beim letzten Mal war er noch unberührt von der Zeit. Doch jetzt… jetzt ist er von Mephos‘ Einfluss geprägt.“
Der Eingang zur Kirche war durch das Dickicht der Jahre verschlossen, doch mit einem einzigen Blick von Lyra öffnete sich der versteckte Zugang. Sie betraten das innere Labyrinth, wo die Luft kühl und feucht war. Eine schwere, klamme Atmosphäre lag über den alten Steinen, als ob das Gebäude selbst das Gewicht der vergangenen Jahrhunderte trug.
„Die Zeit ist ein unbarmherziger Hüter“, flüsterte Solan, als er die vergilbten Schriftrollen auf einem alten Schreibtisch durchblätterte. „Doch Mephos‘ Macht hat tiefe Wurzeln geschlagen.“
„Er spielt mit den Strömen der Geschichte“, sagte Lyra mit einer leisen Wut in der Stimme. „Wir müssen ihn finden, bevor er alles entgleiten lässt.“
In diesem Moment spürte Kai, wie sich der Raum um sie zu verengen schien. Ein weiterer Schlag der Zeit traf sie, und die Umgebungen begannen zu verschwimmen. Sie spürten den Übergang noch einmal – ein schneller Ruck, der die Zeit erneut verdrehte, und die Geräusche der Gegenwart wurden von denen einer anderen Ära überlagert.
Als die Realität sich beruhigte, fanden sie sich auf einem weiten Schlachtfeld wieder. Der Wind trug den Duft von Eisen und Feuer mit sich, und der Boden war von den Spuren unzähliger Kämpfe gezeichnet. Die ersten Kanonenschüsse hallten durch die Luft, als sie die Kämpfe der spanischen Armada gegen England erblickten.
„Dies ist der Moment“, sagte Kai, als er die kostbaren Artefakte an seinen Handgelenken spürte, die sich nahtlos an die neue Zeit angepasst hatten. „Es ist die Zeit, in der sich das Schicksal entscheiden wird.“
„Die Geschichte wird sich nicht einfach anpassen“, antwortete Solan nachdenklich. „Wir müssen vorsichtig sein. Mephos‘ Macht kann sich bis in diese Schlachten ausdehnen.“
„Dann lasst uns handeln“, sagte Lyra mit einem entschlossenen Blick. „Je schneller wir handeln, desto größer ist die Chance, Mephos‘ Einfluss zu zerschlagen.“
Die Gruppe kämpfte sich durch das Chaos, in dem Feuersbrünste und das Dröhnen von Kanonen das Schlachtfeld erschütterten. Mit jedem Schritt, den sie machten, spürten sie, wie die Zeit selbst um sie herum zu zerren begann. Historische Persönlichkeiten, wie der englische Admiral Lord Howard von Effingham und der spanische Admiral Santa Cruz, zogen ihre Truppen in den Kampf.
„Wir haben schon einmal hier gekämpft“, sagte Lyra, als sie sich den Kräften des englischen Heeres anschloss. „Doch damals war es anders. Heute sind die Wellen des Krieges stärker, und die Feinde mächtiger.“
Die Gruppe mischte sich unter die Soldaten, die sich in geordneten Reihen formierten. Mit ihrem Wissen über die Zukunft und die kommenden Kämpfe halfen sie den Englands Truppen, den entscheidenden Vorteil zu gewinnen.
Der Kampf tobt weiter, und die Geschichte selbst verwandelte sich in ein episches Schachspiel. Die spanische Armada versuchte, die englischen Verteidiger zu überwältigen, doch die Gegenwehr war entschlossener denn je. Am Horizont zogen neue Wolken auf, und der Sturm der Schlacht nahm unaufhaltsam Fahrt auf.
„Wir müssen die Wahrheit hinter Mephos herausfinden“, sagte Solan, während er die Situation studierte. „Er zieht die Fäden dieser Kriege, doch seine wahren Beweggründe bleiben im Dunkeln.“
„Die Götter müssen sich einmischen“, sagte Kai, als er den Himmel betrachtete. „Die Kräfte von Mephos können nicht ewig die Geschichte dominieren.“
In diesem Moment durchbrach das Dröhnen von Kanonenschüssen die Stille, und die Gruppe tauchte in den Strudel der Geschichte ein. Sie wussten, dass ihre Reise sie durch immer neue Epochen führen würde – über die Ruinen der Schlachten und durch die Türme der Königshöfe. Sie mussten nicht nur gegen Mephos kämpfen, sondern auch gegen die Dunkelheit der Geschichte selbst.
Die Reise führte sie nun weiter, durch die stürmischen Zeiten der Französischen Revolution, als der Aufstand gegen die Monarchie in Paris entbrannte und die Guillotine die Köpfe der Aristokraten forderte. Inmitten des Chaos trafen sie auf den revolutionären Dichter und Philosophen Jean-Paul Marat, der in seinen Schriften die Zukunft der Freiheit und der Gerechtigkeit beschwor.
Doch die Umwälzungen der Zeit waren noch lange nicht vorbei. Sie durchquerten die Äras der Pest und der Seuchen, die das Land erschütterten, und begegneten den Geheimbünden, die im Verborgenen agierten – die „Bruderschaft der Freiheit“, die im Schatten der großen Schlachten und Kriege ihren Einfluss ausübte. Und dann, in den Wirren der napoleonischen Kriege, standen sie Seite an Seite mit den größten militärischen Genies der Geschichte, um den aufstrebenden Kaiser Napoleon Bonaparte zu bekämpfen, dessen Streben nach Macht nicht nur die Weltkarte verändern sollte, sondern auch das Schicksal der Menschheit selbst.
Jede Epoche brachte ihre eigenen Herausforderungen und Verbündeten mit sich. Doch die Gruppe war nie allein. Lyra, Kai, Solan und die anderen Gefährten fanden immer neue Verbündete, darunter auch den berühmten Komponisten Ludwig van Beethoven, der in den schweren Tagen der Revolution als Quelle der Inspiration und des Widerstands fungierte, und den genialen Erfinder Nikolaus Tesla, dessen Visionen die Welt der Technik revolutionieren sollten.
Doch der Schatten von Mephos blieb immer präsent, und der Kampf gegen ihn führte die Gruppe durch die düstersten Epochen der Geschichte, vom Mittelalter bis zur modernen Welt.
Die Reise war noch lange nicht zu Ende.