Kapitel 112: Zwischen den Welten

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Lesedauer 4 Minuten

Kapitel 112: Zwischen den Welten

Der Regen war verschwunden, und mit ihm die drückende Luft des Mittelalters, die noch vor wenigen Augenblicken über dem Schlachtfeld von Hastings gehangen hatte. Stattdessen empfingen sie die Hitze der Karibik. Der Hafen, in dem sie sich nun befanden, war von einem überwältigenden Duft von Salz und Fisch erfüllt, vermischt mit dem beißenden Geruch von Teer und feuchtem Holz. Die Schiffe, die dort vor Anker lagen, waren hölzerne Giganten, deren Masten sich hoch in den Himmel reckten. Ein kleines, lebendiges Städtchen breitet sich vor ihnen aus, das von den Spuren vergangener Seefahrer geprägt war – ein wirbelndes Gemisch aus einheimischen und europäischen Einflüssen, das vor Aktivität nur so strotzte.

„1600…“, murmelte Solan, als er in die Ferne blickte und die Details der Küstenstadt aufnahm. „Ein merkwürdiger Zeitpunkt. Doch das, was wir sehen, ist nicht einfach. Etwas ist immer noch verdreht.“

Lyra nickte. Ihre Augen, die von der Dunkelheit der vergangenen Epochen geprägt waren, suchten die Straßen ab, die von staubigen Wegen gesäumt und von rostigen Lattenzäunen eingefasst wurden. Hier und da konnte sie die Umrisse von hölzernen Tavernen erkennen, die von Piraten und Händlern bevölkert wurden. Der Klang von klirrenden Münzen mischte sich mit den Rufen der Schiffer, die ihre Waren feilboten. Doch unter dieser geschäftigen Oberfläche brodelte etwas Dunkles – der Schatten von Mephos, der ihren Eindrücken entglitt, aber ihre Herzen schwer machte.

„Es ist die Zeit der Piraten“, sagte Kai mit einem entschlossenen Funkeln in den Augen, „und das bedeutet, wir müssen die richtigen Verbündeten finden.“

Solan trat einen Schritt vor, sein Blick fiel auf eine Gruppe von Matrosen, die gerade von einem Schiff stiegen und dabei ihre kräftigen Muskeln unter den zerlumpten Hemden zur Schau stellten. „Die Spanier bereiten sich auf ihre Armada vor“, sagte er nachdenklich. „Die See wird zum Schlachtfeld, und wenn wir nicht aufpassen, wird diese Epoche sich in eine noch gefährlichere Richtung entwickeln.“

„Dann ist es an der Zeit, uns der Gefahr zu stellen“, sagte Lyra mit fester Stimme, als sie eine Gruppe von Piraten an einem der Schiffe vorbeigehen sah. Ihre Blicke verschlangen die Landschaft, als ob sie versuchten, jede Bewegung in der Nähe wahrzunehmen. „Mephos‘ Hand wird die Geschichte formen, aber wir dürfen nicht zulassen, dass er sie beherrscht.“

Om 25

Die Gruppe begab sich tiefer in die Stadt. An jeder Straßenecke begegneten sie fremden Gesichtern – Matrosen, die auf der Jagd nach Beute waren, Frauen, die ihre Waren auf den Märkten feilboten, und Männer, die in den schummrigen Ecken der Tavernen Geschichten von längst vergangenen Siegen erzählten. In einer der engen Gassen hörten sie plötzlich das scharfe Rufen eines Mannes.

„Dort!“, rief Solan und deutete auf einen düsteren, hölzernen Gebäudekomplex am Ende der Straße. „Dort wird der Einfluss von Mephos stärker. Ich spüre es.“

Die Gruppe drängte sich durch die Tür des Gebäudes und fand sich in einem Raum wieder, der von schwerem, riechendem Rauch erfüllt war. Die Wände waren mit alten Karten und merkwürdigen Symbolen bedeckt, die flackernden Lichtern des Feuers eine geheimnisvolle Atmosphäre verliehen.

Ein Mann trat aus dem Schatten – ein Piratenkapitän, wie es schien. Er war von imposanter Statur, seine Haut war von der Sonne gebräunt, und seine Augen funkelten misstrauisch, als er sie musterte.

„Wer seid ihr, die hier in mein Reich eindringen?“ fragte er mit einer rauen Stimme.

„Wir sind auf der Suche nach einem Mann, der das Spiel mit der Zeit spielt“, sagte Lyra, ihre Augen fest auf den Piraten gerichtet. „Mephos ist unser Ziel. Und wir werden nicht ruhen, bis wir ihn finden.“

Der Piratenkapitän lachte scharf und zog ein Messer aus seinem Gürtel. „Mephos? Der Name ist uns allen hier bekannt. Doch seid vorsichtig. Nicht jeder, der seinen Einfluss spürt, kann ihm entkommen. Er hat nicht nur die Macht über Menschen, sondern auch über die Zeit selbst.“

„Dann müssen wir ihn aufhalten“, sagte Kai entschlossen, als er einen schnellen Blick auf seine Gefährten warf.

Der Piratenkapitän nickte und ließ das Messer sinken. „Vielleicht seid ihr in der Tat die richtigen, um die Geschichte zu ändern. Aber es gibt eine Sache, die ihr wissen solltet.“ Er trat näher und legte eine Karte auf den Tisch. „Mephos bewegt sich nicht nur in der Zeit, sondern auch in den Kriegen. Die Armada gegen England. Der spanische König hat bereits seine Flotte aufgerüstet. Und das ist nur der Anfang. Ihr müsst die richtigen Verbündeten finden, bevor es zu spät ist.“

„Wir werden die Verbündeten finden“, sagte Lyra ruhig, „und wir werden Mephos stellen. Aber zuerst müssen wir mehr über die Geschichte dieser Flotten erfahren.“

Der Piratenkapitän nickte und führte sie zu einem Schreibtisch, auf dem einige alte Dokumente ausgebreitet waren. „Das ist der Plan der spanischen Armada. Doch was ihr nicht wisst, ist, dass Mephos hinter diesem Plan steckt. Er lenkt die Hände der Könige und Kapitäne. Wenn ihr ihn stoppen wollt, müsst ihr den Ursprung des Bösen finden – und das ist nicht nur in den Schlachten zu finden.“

„Wo können wir mehr erfahren?“ fragte Solan.

Der Piratenkapitän schmunzelte und zeigte auf ein anderes Stück Papier. „Es gibt einen Geheimbund, der in dieser Zeit entstanden ist – eine Bruderschaft, die hinter den Kulissen der großen Konflikte wirkt. Ihre Mitglieder wissen mehr über Mephos als jeder andere. Und vielleicht können sie euch helfen.“

„Dann lasst uns diesen Geheimbund finden“, sagte Kai, während er sich auf die Karte konzentrierte.

Der Piratenkapitän nickte und verschwand hinter einem Vorhang. „Viel Glück, Reisende. Aber erinnert euch – nicht alle Geheimnisse sollen ans Licht kommen.“

Die Gruppe trat wieder hinaus in den geschäftigen Hafen. Doch der Horizont veränderte sich schnell. Der Wind trug den Klang von Kanonenschüssen heran, und die ersten Schiffe der spanischen Armada machten sich bereit, die See zu erobern.

„Es ist Zeit“, sagte Lyra, „die Zeit zu verändern und Mephos‘ Einfluss zu brechen. Wir müssen uns beeilen, bevor er noch stärker wird.“

Die Gruppe machte sich auf den Weg, doch als sie sich der Küste näherte, spürten sie, dass die nächste Herausforderung größer war als alles, was sie bisher erlebt hatten. Mephos war wie der Sturm – unberechenbar und mächtig. Doch sie wussten, dass sie alles riskieren mussten, um das Schicksal der Geschichte zu bewahren.

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