Kapitel 108: Der Sturm der Epochen
Der Nebel, der in der Stadt Flandern die Gassen und Türme verschlang, hatte sich gelichtet, als die Gruppe um Kai, Lyra und Solan erneut die Zeit verließ. Ein Windstoß, der die Dämmerung durchbrach, trieb sie voran. Die letzten Fragmente der Bibliothek, das Wissen von Mephos‘ Ursprung und die Schlüssel zu seiner Dunkelheit, hatten sie zu einem neuen Ziel geführt: eine neue Ära, in die sie nun eintauchten.
„Der Wind trägt uns weiter“, sagte Lyra leise, als sie die vertrauten Landschaften des alten Frankreich hinter sich ließen und in eine Zeit eintauchten, die von unzähligen Aufständen und Kriegen erschüttert war. Die Straße, die sie entlanggingen, war nun von hoch aufragenden Zinnen und zerrissenen Bannern gesäumt. „Dies ist die Zeit, in der die Revolution die Welt verändern wird. Doch auch hier wird Mephos’ Hand zu spüren sein.“
„Wir müssen sicherstellen, dass der Ruf nach Freiheit nicht von ihm verdorben wird“, sagte Seraphine, ihre Augen blitzten entschlossen. Sie wusste, dass der wahre Feind nicht nur auf den Barrikaden stand, sondern tief in den Herzen der Menschen. „Wenn wir das tun, wird die Revolution ihr wahres Ziel erreichen.“
„In dieser Stadt, in diesem Moment“, sagte Solan, der die Seiten eines antiken Buches betrachtete, das er aus einer der Bibliotheken entwendet hatte, „konnte der Wind der Veränderung nicht klarer wehen. Aber dieser Ruf nach Freiheit hat seine dunkle Seite. Der Schatten Mephos’ ist tief in den Straßen verankert. Wenn wir es schaffen, ihn zu zerschlagen, können wir das Erbe der Revolution retten.“
Die Gruppe betrat das düstere Paris der Französischen Revolution, wo das Volk unter dem Banner der Freiheit gegen die Monarchie kämpfte. Der Himmel war von schwarzem Rauch durchzogen, als die Barrikaden brannten und die Revolutionäre ihre eigenen Feinde aus den Reihen der Aristokraten stürzten. Doch das wahre Schlachtfeld war nicht auf den Straßen zu finden, sondern im Inneren der Seelen der Menschen. Es war Mephos, der ihre Ängste und Zweifeln anheizte, und die Gruppe wusste, dass sie die Dunkelheit in diesem Moment besiegen mussten, bevor der Wahnsinn endgültig die Oberhand gewann.
„Komm, lass uns in den Räumen der Nationalversammlung nach Antworten suchen“, sagte Solan mit einem festen Blick. Die Gruppe folgte ihm durch die brennenden Straßen, vorbei an der Guillotine, deren schimmernde Klinge das Symbol des neuen Frankreichs geworden war. In der Ferne hörte man das Dröhnen der aufgebrachten Massen.
In den inneren Räumen des Palastes von Versailles fanden sie einige der letzten Schriften von berühmten Revolutionären, die noch nicht von Mephos korrumpiert worden waren. Unter den Schriften entdeckte Lyra ein mysteriöses Pergament, das von einem geheimen Bund sprach, der die wahre Geschichte hinter der Französischen Revolution verbarg. „Es gibt immer mehr, als wir sehen“, sagte sie und reichte Solan das Dokument.
„Ein Geheimbund, der das Schicksal Frankreichs kontrolliert hat?“, fragte er nachdenklich. „Vielleicht war die Revolution nicht nur der Aufstand der Massen, sondern das Werk einer unsichtbaren Hand, die die Geschichte steuerte.“
„Oder das Werk von Mephos“, fügte Kai hinzu, als er das Bild eines goldenen Artefakts betrachtete, das als Symbol des Geheimbundes galt. „Er hat die Revolution entfacht, aber der wahre Fluss der Freiheit geht anders.“
In den Straßen von Paris, zwischen brennenden Barrikaden und ruhelosen Köpfen, kämpften sie nun nicht nur gegen die Realität der Revolution, sondern gegen die dunklen Mächte, die sie hinter den Kulissen lenkten. Doch ihre Reise führte sie weiter, tiefer in die Geschichte, zu den Kriegen, die Europa erschütterten.
Der Klang von Hufschlägen und das Dröhnen der Kanonen führten sie schließlich in die Zeit der großen Schlachten. „Azincourt“, sagte Solan nachdenklich, als sie das Schlachtfeld betraten, wo die Schlacht zwischen den Engländern und Franzosen in einer der blutigsten Auseinandersetzungen des Hundertjährigen Krieges gipfelte. „Ein weiteres Ereignis, das von Mephos’ Hand beeinflusst wurde. Aber wir sind hier, um den Verlauf der Geschichte zu ändern.“
„Der Schmerz und der Tod, die hier erlitten wurden, sind noch nicht vergangen“, sagte Kai, als er die Narben des Landes betrachtete. „Der Boden spricht von der Vergangenheit. Aber wir können die Zukunft in eine andere Richtung lenken.“
„Wir müssen in den Moment der Entscheidung eingreifen“, sagte Lyra, ihre Stimme entschlossen. „Wenn wir den Fluss der Geschichte an diesem Punkt verändern, könnten wir den Lauf der Zeit retten.“
So begannen sie, nicht nur gegen die Armeen, sondern gegen die Macht des Dämonen Mephos zu kämpfen. Sie kämpften nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch in den Schatten der Vergangenheit, wo die wahre Macht lag. Und während sie durch die Zeit reisten, verbanden sich neue Freunde und Verbündete mit ihnen.
In den Dämmerstunden des 16. Jahrhunderts, als die portugiesischen und spanischen Seefahrer die Weltmeere eroberten, stießen sie auf den berüchtigten Piratenkapitän Alfonso de la Cruz, der sich als ein treuer Verbündeter entpuppte. „Die See hat ihre eigenen Regeln“, sagte er, als er das Schicksal der Gruppe mit einem ernsten Blick betrachtete. „Aber wenn ihr gegen die Dunkelheit kämpfen wollt, dann segelt mit mir.“
„Es ist ein Bund“, sagte Kai, als er dem Kapitän die Hand reichte. „Ein Bund, der uns gegen Mephos führen wird.“
Ihre Reise führte sie weiter, von den gewaltigen Kämpfen der englischen Ritter über die Belagerungen der schottischen Burgen bis zu den dramatischen Schlachten der napoleonischen Kriege, wo auch der berüchtigte Korsikaner Napoleon Bonaparte seine Hand im Spiel hatte. Der Krieg war ein gewaltiges Schauspiel, das von Helden und Schurken gleichermaßen geprägt war, doch es war nicht die Schwertkunst, die die Gruppe entmutigen konnte, sondern die ständige Bedrohung durch die dunklen Kräfte Mephos’.
„Napoleon“, sagte Seraphine, als sie das Schlachtfeld von Waterloo erreichten, „der Kaiser der Franzosen, ist mehr als nur ein politisches Symbol. Er ist eine Waffe, die in Mephos’ Händen liegt.“
Doch die Gruppe wusste, dass die wahre Herausforderung in den Geheimbünden lag, die sich durch die Jahrhunderte zogen. Sie durchbrachen die Mauern der dunklen Zeit und fanden sich schließlich in einer Welt wieder, in der die großen Denker und Künstler der Vergangenheit ihre ersten Werke schufen. Sie begegneten Beethovens wilden Sinfonien und den philosophischen Schriften von Kant und Rousseau. Ihre Reise durch die Epochen war nicht nur ein Abenteuer, sondern eine ständige Entdeckung der wahren Kraft der Geschichte.
Mit jedem Schritt der Zeit rüttelten sie an den Fäden der Vergangenheit. Sie wollten nicht nur die Geschichte verändern, sondern die dunklen Mächte, die sie in den Griff genommen hatten, zu Fall bringen. Und während sie weiterzogen, blieben ihre Gedanken immer auf das Ziel gerichtet: den Ursprung von Mephos zu finden und die Zeit wieder in den Fluss zu bringen. Doch sie wussten, dass der wahre Kampf noch bevorstand.