Kapitel 106: Der Sturm der Epochen

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Lesedauer 4 Minuten

Kapitel 106: Der Sturm der Epochen

Der Nebel, der Stirling umhüllte, schien sich mit der Zeit selbst zu verweben. Mit jedem Atemzug spürten Kai, Lyra, Solan und ihre Gefährten, wie die Grenze zwischen den Epochen sich weiter verschob. Die Schlacht, die sie gerade hinter sich gelassen hatten, war nur ein Bruchteil dessen, was noch vor ihnen lag. Doch ihre Reise war noch lange nicht zu Ende. Die Dunkelheit, die sie verfolgte, hatte viele Gesichter, und jedes neue Ziel, das sie ansteuerten, brachte sie einem anderen Kapitel der Geschichte näher.

„Die Schlacht hier ist nicht der einzige Kampf“, sagte Solan und blätterte in seinem Buch. „Mephos hat nicht nur die Geister dieser Krieger beeinflusst. Er hat die Zeit selbst verändert. Was wir hier erleben, ist nur ein Flimmern der Dunkelheit. Wir müssen weiterreisen, bevor es uns verschlingt.“

„Aber wohin?“ fragte Lyra, ihre Augen auf den Horizont gerichtet, wo sich die dunklen Wolken wie ein Vorbote des kommenden Sturms auftürmten. „Wir haben genug Schlachten gesehen, genug gekämpft. Wo führt uns der nächste Schritt?“

„Zu den Ursprüngen der Dunkelheit“, antwortete Myria, die ihre Hand wie eine Skizze durch den Nebel zog. „Wenn wir den wahren Ursprung von Mephos’ Macht finden, können wir den Fluch brechen. Aber wir müssen tiefer in die Geschichte eindringen.“

„Also, was bleibt uns anderes übrig?“ Kai zog sein Schwert, das sich ebenso wie ihre Kleidung an die Zeit angepasst hatte. „Wir kämpfen. Wo auch immer wir hin müssen.“

Der Nebel zog sich zurück und ließ den Blick auf eine neue Szenerie freigeben. Ein dröhnendes Geräusch, das wie das Schlagen von Trommeln durch die Luft hallte, kündigte ihre Ankunft in einer neuen Zeit an. Die Felder waren von düsteren, blutroten Ranken durchzogen, und in der Ferne erhoben sich massive Mauern. Die Stadt, die vor ihnen lag, war schon einmal ein Symbol des Fortschritts, doch heute, unter dem Einfluss der Dunkelheit, war sie ein vergifteter Ort. Es war die Zeit der Pest, das Land war von Seuchen geplagt, und das große Königreich hatte sich in einen zerfallenden Alptraum verwandelt.

Om 25

„Flandern, 1347“, murmelte Seraphine, ihre Augen wie ein Teleskop, das die Geschichte aufnahm. „Der Schwarze Tod hat die Erde ergriffen. Hier wird sich Mephos’ Einfluss noch deutlicher zeigen.“

„Ein Ort der Verzweiflung“, fügte Sira hinzu, ihre Stimme wie das Rascheln eines verlassenen Blattes. „Wir müssen vorsichtig sein, hier ist der Tod nicht nur körperlich. Er ist in der Luft.“

„Wir waren schon einmal hier“, sagte Kai und zog die Kapuze seines Mantels tiefer ins Gesicht. „Aber damals war der Ort nicht von so viel Finsternis durchzogen. Er hat sich verändert, genauso wie wir es getan haben.“

„Es sind nicht nur die Menschen, die verändert wurden“, sagte Lyra und blickte in die düsteren Gassen der Stadt. „Die Seelen sind von der Dunkelheit gezeichnet, die sich wie ein Lächeln in der Nacht ausbreitet. Und wir müssen herausfinden, warum.“

Der Anblick von verwesenden Leichnamen, die die Straßen säumten, und die Schmerzensschreie der Kranken erinnerten sie daran, dass der Schwarze Tod, eine der verheerendsten Plagen der Menschheit, in dieser Zeit tobte. Doch es war nicht nur der natürliche Tod, den sie hier fürchteten. Etwas anderes hatte sich eingenistet, etwas, das nur die Schattenlogen beeinflussen konnten.

„Es sind nicht nur die Seuchen“, sagte Solan, der mit seinem Buch in der Hand die Karten studierte. „Die Dunkelheit hat die Welt der Lebenden und der Toten miteinander verbunden. Sie benutzt die Angst, den Schmerz, die Verzweiflung, um die Geschichte umzupolen. Der Tod ist nicht mehr nur ein Ende, er ist ein Werkzeug.“

„Und wir müssen das zurücknehmen“, sagte Seraphine, ihre Stimme fest wie der Boden unter ihren Füßen. „Wenn wir hier nicht eingreifen, wird Mephos den Fluss der Zeit gänzlich kontrollieren. Diese Epoche wird für immer die Seinen sein.“

Der Klang von Hufen unterbrach die angespannte Stille. Eine Gruppe von Reitern, finster gekleidet und mit von Seuchen entstellten Gesichtern, näherte sich. Ihr Anführer, ein imposanter Mann in einem scharlachroten Mantel, führte sie an. „Verräter!“, brüllte er, seine Stimme hallte durch die Gassen. „Flieht, solange es noch Zeit gibt!“

„Das sind keine gewöhnlichen Krieger“, sagte Myria leise und hob ihre Hand. „Diese Männer sind besessen, durch den Fluch von Mephos. Ihr Schicksal ist von der Dunkelheit bestimmt.“

Die Gruppe zog sich in die Schatten zurück, um sich einen Plan zu überlegen. Doch in dieser Zeit, da die Dunkelheit alle Epochen überschattete, gab es keine Sicherheit. Nur eine Sache war sicher – der Kampf würde an vielen Fronten geführt werden. Die Dunkelheit konnte nicht nur durch Stärke, sondern auch durch Weisheit besiegt werden.

„Wir müssen in die tiefen Archive dieser Stadt“, sagte Solan, der den Blick auf die großen, steinernen Gebäude richtete, die sich als Bibliotheken und Tempel der alten Welt entpuppten. „Die Geschichte dieser Stadt wird uns zeigen, wie wir Mephos‘ Einfluss aufhalten können.“

Mit einer neuen Entschlossenheit machten sie sich auf den Weg, die Zeit durch das Chaos der Pest und die Gitter der Schatten zu durchbrechen.

Ein weiteres Kapitel, das an diesem Ort beginnt, führt sie weiter in den Wirbel der Geschichte. Sie reisen durch den Hochmittelalterlichen Krieg und die französischen Aufstände. Ihr nächstes Ziel war die große Schlacht bei Azincourt, und dort begegneten sie den schottischen, französischen und englischen Kriegern, die inmitten eines drohenden Chaos kämpften. Sie standen in der Mitte eines gewaltigen Kriegsfeldes, das von den Winden der Zeit und den Schreien der Krieger durchzogen war. Der Dämmerungshorizont brannte in Blutrot, als sich die französischen Ritter den englischen Truppen entgegen warfen, und die Luft war von dem metallischen Geruch von Blut erfüllt.

„Es ist unheimlich, wie die Zeit sich wiederholt“, sagte Kai und zog das Schwert, das sich nun wie ein Relikt aus der Kriegerära anfühlte. „Hier kämpfen sie immer noch. Und wir kämpfen mit ihnen. Doch was hat das alles mit Mephos zu tun?“

„Er ist der Wind, der diese Schlachten lenkt“, sagte Myria, ihre Augen weiteten sich. „Er hat die Zeit so manipuliert, dass diese Kriege zu einem nie endenden Zyklus werden.“

„Und wir müssen den Kreis durchbrechen“, fügte Seraphine hinzu. „Wir sind nicht nur hier, um zu kämpfen. Wir sind hier, um die Geschichte zu retten.“

Mit vereinten Kräften und der Macht ihrer Artefakte – von Lyras Armband, das in einem gleißenden Licht erstrahlte, bis zu Solans Buch, das als Schlüssel zu den verlorenen Erinnerungen der Welt diente – kämpften sie sich durch das unaufhörliche Schlachtfeld. Doch was in diesem Moment geschah, war mehr als nur eine einzelne Schlacht. Es war der Beginn eines größeren Krieges, der die Geschichte selbst verändern würde.

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