Kapitel 104: Der Sturm über den Epochen

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Kapitel 104: Der Sturm über den Epochen

Der Wind, der nun aus dem Osten wehte, trug die Feuchtigkeit des Ozeans und ließ die Gruppe in ein Labyrinth aus Nebel und Geschichte eintauchen. Der schimmernde Horizont, der den Übergang von Abend zu Nacht markierte, schien wie ein Riss in der Zeit selbst. Kai, Lyra, Solan und ihre Gefährten standen an der Klippe, die weit über das unruhige Meer hinausblickte. Der Duft von Salzwasser und Eisen, die sich in den Blutgeruch vergangener Schlachten mischten, erfüllte die Luft.

„Es fühlt sich an, als stünden wir an einem Wendepunkt“, sagte Kai, der seinen Blick fest auf das sich verdunkelnde Meer gerichtet hielt. „Das, was wir vorhin gespürt haben, war mehr als nur ein Warnsignal. Es ist ein Rufen aus den Tiefen der Geschichte.“

„Ich weiß“, stimmte Lyra ihm zu. Ihr Blick war fast starr, als sie die Wellen beobachtete, die unaufhörlich gegen die Klippen brandeten. „Wir sind zurück, doch die Zeit scheint sich anders zu entfalten als zuvor. Etwas hat sich verändert.“

Solan, der Historiker der Gruppe, schritt einige Schritte auf den Felsen zu und zog ein kleines Buch aus seiner Tasche. „Jeder Schritt von uns ist wie ein Tropfen, der in einen See fällt. Aber wir dürfen nicht vergessen: Der Nebel, der uns begleitet, ist nicht nur ein Zeichen der Veränderung. Er ist der Schleier zwischen den Welten, der uns hindurchführt.“

„Und der Schleier wird dünner“, fügte Myria Dunkelmond hinzu, die ihren Stab in den Nebel tauchte, um die Magie der Umgebung zu spüren. „Die Dunkelheit wächst, und sie nimmt Form an. Der Nebel ist nicht nur das Verborgene, er ist ein Teil der Dunkelheit, die sich über die Epochen erstreckt.“

„Mephos ist der Ursprung“, sagte Selena Arinthal, ihre Augen glühten im schwachen Licht der Dämmerung. „Aber wir müssen tiefer in die Zeit eindringen, wenn wir ihn finden wollen.“

„Dann lasst uns aufbrechen“, rief Seraphine Veyra, die Visionärin der Gruppe. Sie sah in die Ferne, ihre Augen funkelten, als sie die Bewegungen der Zeit und der Zukunft wahrnahm. „Die kommenden Schlachten haben noch keine Form, aber wir wissen, dass sie uns herausfordern werden.“

Die Gruppe machte sich auf den Weg. Ihre Reise führte sie durch die nebeldurchzogenen Küstenregionen Frankreichs und vorbei an den Überresten vergangener Schlachten. Die Zeitlinien, die sie durchquerten, veränderten die Orte, die sie einmal gekannt hatten. Jeder Schritt brachte sie in eine neue Epoche, doch nicht immer in dieselbe Welt, die sie zuvor besucht hatten.

Om 25

Die Französische Revolution und die Schatten der Macht

Der Nebel löste sich schließlich auf, als sie den Boden von Paris betraten, doch die Luft war schwer und gespannt. Die Stadt war von einer Atmosphäre der Unruhe erfüllt. Die Straßen waren gesäumt von Menschen, die in zerrissene Kleider gehüllt waren, die den Staub der Revolution trugen. Der Turm von Notre-Dame erhob sich über ihnen, doch er schien weniger eine religiöse Zuflucht zu sein und mehr ein stiller Zeuge der Gewalt, die sich in der Stadt entlud. Die Guillotine, der Todbringer der Revolution, stand als ständige Erinnerung an das brutale Ende der alten Ordnung.

„Es ist der Moment vor dem Sturm“, sagte Solan leise, als er die Szene um sich beobachtete. „Die Gier nach Macht und die Angst vor der Zukunft lassen die Revolution in jeder Ecke dieser Stadt keimen.“

„Ja“, bestätigte Myria, „wir sind wieder hier. Aber dieser Ort hat sich verändert. Der Nebel der Geschichte hat die Gesichter der Revolution verschwommen, und sie sind jetzt von dunkler Magie durchzogen. In den Augen der Revolutionäre brennt nicht nur die Leidenschaft für Freiheit, sondern auch die Verführung von Macht.“

„Mephos‘ Einfluss ist stärker als je zuvor“, sagte Selena Arinthal, die den flimmernden Glanz der Magie spürte, die durch die Luft schnitt. „Die dunklen Mächte, die in den Epochen wohnen, werden die Revolution entzweien. Sie haben die Macht, diese Welt zu zerreißen.“

„Wir müssen tiefer in die Vergangenheit eindringen“, sagte Seraphine. „Die Geschichte wird von den Mächten geformt, die wir bekämpfen. Aber wir haben den Vorteil: Wir können in der Zeit zurückreisen und die falschen Wendungen korrigieren.“

Kai trat vor und blickte auf die versammelten Revolutionäre. „Wo beginnt der wahre Kampf?“, fragte er sich. „Der gegen die Tyrannei oder der gegen die Dunkelheit, die von Mephos kommt?“

„Beides“, antwortete Solan, der sich in Gedanken vertiefte. „Und wir müssen es verstehen, bevor es zu spät ist.“

Die Gruppe folgte den Straßen, die von der Revolution erschüttert wurden. Sie kamen an den Tuilerienpalast, der zu dieser Zeit von den königlichen Truppen belagert wurde. Auf den Straßen versammelten sich Rebellen und Monarchisten gleichermaßen. Plötzlich erhob sich der Himmel in einem brüllenden Sturm, der von einer Energie durchzogen war, die die Gruppe nur zu gut kannte.

„Das ist kein gewöhnlicher Sturm“, sagte Sira Valeris, die sich als Adler in den Wolken erhob und die Luft durchschnüffelte. „Der Himmel selbst verändert sich. Diese Epochen kollidieren in einer Art und Weise, wie wir sie noch nicht erlebt haben.“

„Es wird ein Kampf auf allen Ebenen sein“, sagte Myria, während sie den Nebel um sich herum formte. „Der wahre Feind ist die Dunkelheit, die uns in den Epochen folgt.“

Die Schlacht von Waterloo und das unheilvolle Erbe

Ihre Reise führte sie weiter, von den rauchenden Ruinen der französischen Hauptstadt hin zu den weiten Feldern von Waterloo, wo die Geschichte erneut ihre Form annehmen sollte. Die Luft war schwer von der Erinnerung an den Kampf, der hier vor vielen Jahren stattgefunden hatte. Doch als sie über das Schlachtfeld blickten, bemerkten sie eine Veränderung. Die Krieger, die hier gefallen waren, schienen nicht nur mit Blut, sondern auch mit etwas dunklerem gefüllt zu sein. Die Geister der Schlacht waren nicht mehr die unschuldigen Opfer, die sie einst gekannt hatten. Stattdessen wurden sie von der dunklen Macht Mephos‘ beherrscht.

„Die Geschichte ist nicht mehr das, was sie war“, sagte Lyra, als sie das graue Feld überblickte, auf dem die Reste der französischen und englischen Armeen zerstreut lagen. „Die Geister hier sind von der Dunkelheit durchzogen. Wir haben einen Riss in der Geschichte hinterlassen, der nicht nur uns betrifft.“

„Und das bedeutet, dass Mephos uns verfolgt, immer und überall“, fügte Solan hinzu, als er auf das sich verändernde Schlachtfeld starrte.

„Doch wir sind nicht allein“, sagte Sira, während sie sich erneut in einen Adler verwandelte und den Horizont absuchte. „Es gibt Verbündete, die uns begleiten werden. Die Geister von Waterloo sind nicht alle verloren. Manche wollen die Dunkelheit vertreiben.“

Ein weiteres Mal traten sie in den Nebel der Zeit ein, doch dieses Mal wussten sie: Es war nicht nur die Geschichte, die sie retten mussten – es war das Gleichgewicht der Epochen selbst. Und jeder Schritt, den sie machten, würde sie tiefer in die Dunkelheit führen.

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