Du steigst aus der Routine ins Unbekannte

Du Steigst Aus Der Routine Ins Unbekannte
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Du steigst aus der Routine ins Unbekannte

Du sitzt da, an einem jener Tische, die so viel erzählen könnten, wären sie mit einer Stimme ausgestattet. Dein Laptop, den du mit einer fast lächerlichen Ernsthaftigkeit angeschleppt hast, ruht geöffnet vor dir. Er strahlt, als wüsste er, dass heute Großes geschehen soll. Aber du? Du fühlst dich wie ein Schachspieler, der gegen sich selbst antritt – und dabei jedes Mal verliert. Deine Hände umklammern den Kaffeebecher, der so heiß ist, dass du dich fragst, ob es eine Art stiller Protest gegen den Winter sein könnte.

Der Raum um dich herum – nennen wir ihn eine Mischung aus Bohème-Chic und „wir haben unser Budget nach dem ersten Sofa verbrannt“ – riecht nach frisch gemahlenem Kaffee, aufgewärmtem Zimtkuchen und einer vagen Ahnung von Holzpolitur. Die Wände tragen Farben, die man nur mit Begriffen wie „Wüstensand bei Dämmerung“ oder „leere Geldbörse“ beschreiben kann. Irgendwo summt eine Jazz-Melodie, die so dezent ist, dass sie fast unverschämt wirkt.

Neben dir sitzt ein Mann mit einem Gesicht, das wie aus einem Noir-Film gestohlen wirkt. Seine kantige Kieferpartie könnte man als Waffe einsetzen, und die halb heruntergezogene Mütze macht ihn zu einer wandelnden Parodie eines Geheimagenten. Er trägt einen Trenchcoat, der so perfekt sitzt, dass du dich fragst, ob er heimlich für Modekampagnen modelt, wenn er nicht gerade… was auch immer tut, was Leute wie er tun. Wahrscheinlich schreibt er seine Memoiren – oder die nächste große Verschwörungstheorie.

Dir gegenüber ist eine junge Frau, die sich offenbar vorgenommen hat, alle Farbtöne des Regenbogens zu tragen – gleichzeitig. Ihr Schal wirkt wie eine Mischung aus persischem Teppich und Weihnachtsdekoration, und ihre roten Haare sind zu einem chaotischen Knoten hochgesteckt, als hätte sie im Kampf gegen den Morgenwind verloren. Sie nippt an einem überdimensionierten Latte-Macchiato-Glas, das mindestens drei ihrer Hände bräuchte, um es anzuheben, und kritzelt dabei eifrig in ein Notizbuch.

Aber jetzt bist du dran.

Ja, du.

Denn während du hier sitzt, in einer Atmosphäre, die förmlich nach „großem Moment“ schreit, hast du einen Entschluss gefasst. Nicht irgendeinen Entschluss, sondern den, der alle anderen in den Schatten stellt: Du wirst ausbrechen. Nicht physisch – du bist zu bequem für so etwas – aber mental. Du wirst all das hinter dir lassen: die endlosen To-Do-Listen, die Meetings, die sich wie eine Knebelung deiner Kreativität anfühlen, und den ständigen Zwang, „produktiv“ zu sein. Heute wirst du die Hauptfigur in einer Geschichte, die kein anderer erzählen kann.

Die ersten Zeilen tippen sich fast wie von selbst. Sie fließen aus dir heraus wie ein ungezähmter Wasserfall, voller Energie und wildem Willen. Du schreibst von einer Welt, in der alles möglich ist. Einer Welt, in der Menschen mit leuchtenden Augen und erhobenem Haupt durch Straßen voller Magie wandeln. Es geht um Heldentum und Zweifel, um Freiheit und die Last, die sie mit sich bringt.

Aber dann – natürlich – passiert es.

Eine Nachricht poppt auf deinem Bildschirm auf. Es ist dein Chef. Natürlich ist es dein Chef. Wer sonst hat das Talent, selbst in den größten Momenten deiner Existenz auf die Bremse zu treten?

„Hast du die Quartalsberichte schon überarbeitet?“

Natürlich hast du sie nicht überarbeitet. Du bist gerade dabei, ein Meisterwerk zu erschaffen, und er will über Zahlen sprechen. Zahlen! Es ist, als würde man Monet bitten, ein Kreuzworträtsel zu lösen, während er an den Seerosen arbeitet.

Du antwortest knapp. Eine Lüge, natürlich: „Fast fertig.“

Es ist Abend geworden. Die Sonne hat sich verabschiedet, und du bist immer noch da. Der Kaffee ist längst kalt, aber du trinkst ihn trotzdem, weil er jetzt wie ein Beweisstück deiner Hingabe wirkt. Du schaust dich um. Der Mann mit dem Trenchcoat ist verschwunden, und die Frau mit dem Regenbogenschal hat ihr Notizbuch zugeklappt. Aber du? Du hast durchgehalten. Du hast Worte auf Papier gebracht, die morgen vielleicht die Welt – oder zumindest deinen kleinen Teil davon – verändern könnten.

Und während du aufstehst, fühlst du es: Dieses prickelnde Gefühl der Möglichkeit. Es ist ein bisschen wie ein erster Kuss, ein Lottogewinn oder das perfekte Omelett – selten, flüchtig und unfassbar befriedigend.

„Der größte Feind ist der, der dir einredet, du hättest keinen Mut. Überwinde ihn – jeden Tag aufs Neue.“

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