Da steht er, dein Kollege, in seinem überdimensionalen, grauen Business-Anzug, der irgendwo zwischen „Ich will wichtig wirken“ und „Ich hab‘ einfach keine Ahnung von Mode“ schwankt. Er strahlt, als hätte er gerade das fünfte Mal in Folge die Goldmedaille bei der Olympiade des Denkens gewonnen. Die Haare ordentlich frisiert, das Hemd akkurat in die Hose gesteckt – ja, er hat wirklich keine Mühen gescheut, heute wie der „smarte“ Büroheld auszusehen.
„Du, ich hab da so eine Idee“, sagt er mit einer Stimme, die klingt, als hätte er gerade den neuesten heiligen Gral des Managements entdeckt. Du setzt dich auf deinen Stuhl, lässt den Blick durch den Raum schweifen, während du innerlich schon auf „Pause“ schaltest. Der Kaffee auf deinem Tisch ist zwar schon kalt, aber was soll’s? Dein Kollege spricht weiter, als ob er die Lösung für die nächsten fünf Jahre Unternehmensstrategie in einem Satz verpacken könnte.
„Stell dir vor, wir machen dieses Projekt. Es wird der Hammer! Jeder wird davon profitieren, es wird alles einfacher, schneller, besser!“
Du hörst zu, und während er weiter spricht, fängst du an, ein kleines, aber feines Kopfkino zu starten. Du stellst dir vor, wie du in einer Welt voller Schmetterlinge und Einhörner leben würdest, in der Steuergesetze von einem fröhlichen, singenden Fuchs erklärt werden. Denn genau das ist es, was du dir gerade vorstellst: Ein Paralleluniversum, in dem jedes Wort deines Kollegen auf magische Weise durch die Luft fliegt und deine Zähne noch mehr strahlen als deine Augen, die mittlerweile fast schon vor Ironie ertrinken.
„Weißt du, was das Beste daran ist?“ Dein Kollege, völlig vertieft in seine Vorstellung einer fantastischen, revolutionären Zukunft, schaut dich an, als wäre er der einzige Mensch, der das Rad neu erfunden hat. Du lächelst, du versuchst, deine Augen zu verstecken, um nicht in einen Lachanfall auszubrechen, aber es gelingt dir nur halb. In deinem Kopf hallt bereits das Lachen der Götter, die diesen Plan für das nächste Weltwunder gelobt haben.
„Es wird den Arbeitsalltag für alle vereinfacht! Du wirst sehen, es wird alles viel schneller gehen, als du denkst!“
Du nickst – aber nicht wirklich. Du nickst wie jemand, der sich denkt: „Ich habe keinen Schimmer, wie das funktionieren soll, aber hey, ich will deinem Traum nicht gleich die Luft abdrücken.“ Also lässt du ihn weiterreden, während du innerlich den Countdown startest. Noch 30 Sekunden bis zu deinem nächsten Kommentar, der so trocken sein wird, dass es fast schon eine Kunstform ist.
„Und was genau soll da jetzt der Unterschied sein zu all den anderen Projekten, die wir bisher durchgekämpft haben?“, fragst du, als wäre das die einfachste Frage der Welt. Dein Kollege schaut dich an, als hättest du gerade ein Monster unter dem Tisch hervorgeholt. „Ähm, du weißt schon, dass dies völlig neu und innovativ ist, oder?“ sagt er, als wäre er der erste Mensch, der einen Papierschnitt überlebt hat.
Du ziehst deine Augenbraue hoch. Es ist das gleiche Gesicht, das du machst, wenn du versuchst, einen Witz zu verstehen, den keiner so richtig lustig findet, aber trotzdem jeder versucht, ihn durchzuziehen. Ein seltsames Gefühl der Melancholie macht sich in deinem Inneren breit. Was ist nur aus den guten, alten, ehrlichen Ideen geworden? Den Ideen, die nicht auf einen Blitz aus der Zukunft angewiesen waren, sondern einfach „funktionierten“. Doch da ist dieser Kollege, der dich mit seiner „genialen Idee“ verzaubern will.
„Also, das klingt jetzt ehrlich gesagt nicht wie das, was wir brauchen, sondern eher wie das, was ein Einhorn im Paralleluniversum erklären würde“, antwortest du mit einem Grinsen, das du mühsam unterdrückst. Deine Worte zünden, der Blick deines Kollegen verändert sich. Kurz zieht sich eine schmerzliche Falte über seine Stirn, als wäre er gerade von einem Windstoß des Schicksals getroffen worden. Doch dann hellt sich sein Gesicht wieder auf, als hätte jemand ihm gerade den Zaubertrank der Überzeugungskraft verabreicht.
„Du wirst sehen, das wird alles viel besser! Du wirst es lieben!“
Du nickst, aber es fühlt sich an wie das gleiche, altbewährte Nicken, mit dem du dem Kollegen zugestimmt hast, der dir vor drei Jahren versprochen hatte, dass der Kaffeeautomat ein „echtes Innovationstool“ für den Arbeitsalltag wird. Was dann folgte? Ein Kaffeeautomat, der so kaputt war, dass er mehr Energie verschlang, als er an Koffein produzierte.
Der Raum wird plötzlich viel zu eng, als du deinen Kollegen mit seinem unschlagbaren, völlig überzogenen Plan weiter reden hörst. Der Stuhl fühlt sich an wie ein unfreiwilliger Gefängnisaufenthalt, und die Gedanken fliegen durch deinen Kopf wie ein wütender Tornado. Du schaust aus dem Fenster und siehst, wie der Regen in Strömen fällt, als ob die Natur selbst versuchen würde, deinem Kollegen ein Zeichen zu geben. Aber dann bist du wieder in der Realität, der Moment ist vorbei. Du machst einen letzten Versuch.
„Klar, klingt super. Aber hast du auch an die unschätzbare Zeit gedacht, die wir wieder in Meetings verlieren, die uns absolut nichts bringen? Ich meine, wo würdest du die Einhörner unterbringen?“
Er lacht, du auch. Aber du weißt, dass der nächste Schritt in seiner Gedankenkette der Versuch sein wird, dich zu überzeugen, dass die Welt ohne „sein Projekt“ nie wieder die gleiche sein wird. Du willst ihm das nicht verderben, aber du weißt, was die Realität ist. Es wird ein weiteres Projekt sein, das genauso schnell in der Bedeutungslosigkeit verschwindet wie der „beste“ Plan von gestern.
Du machst eine Pause, siehst ihm tief in die Augen und sagst: „Klar, ich bin dabei – aber nur, wenn du mir versprichst, dass das Einhorn als Berater fungiert.“
Der Blick deines Kollegen? Unbezahlbar.
Zitat: „Die besten Ideen kommen immer dann, wenn sie niemand braucht.“
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