Du bist der Einzige, der nicht einschläft

Du Bist Der Einzige, Der Nicht Einschläft
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Du bist der Einzige, der nicht einschläft

Ach, wie wunderbar ist es doch, der einzige lebende Mensch im Raum zu sein, der nicht nur weiß, was der Chef eigentlich von sich gibt, sondern auch, was für ein Drama sich hinter den monotonen PowerPoint-Folien verbirgt. Ja, du, der Held der Besprechung, der einzige, der im dunklen Raum zwischen der ewigen Langeweile und dem täglichen Irrsinn mit einem letzten Funken an Leben glänzt.

Die Leute um dich herum sind tief in ihren eigenen Welten. Der eine träumt von den nächsten Ferien, die andere macht sich Gedanken, ob sie demnächst noch den Hund von der Nachbarin ausführen muss. Und da bist du, der eiserne Ritter in einem Meer aus Schlafen, Kichern und gähnenden Gesichtern. Aber warte, du siehst das nicht nur als deinen Pflichtbeitrag zur kollektiven Büroerrettung – nein, du siehst dich als absoluten Showdown-Guru, der jedes Stück an Vorstellungskraft herauskitzelt, was hier noch übrig ist.

Also da sitzt du nun, mit deinem perfekt geknöpften Hemd (dein Plan, das Meeting heute noch zu überleben, verlangt diese minimale Zivilisation). Deine Krawatte sitzt nicht zu locker, nicht zu eng. Du bist der Gradmesser der Professionalität. Daneben der Chef – der sich in seinen halbfaltenen Anzug schmiegt, als wäre dieser die Manifestation seines Geistes: zerknittert, aber sich selbst treu bleibend. Er spricht, oder vielmehr plappert, in einem Tempo, das einem Tarzan-Kampf gegen Zeit entspricht, während er jedes Diagramm und jede Folie abseilt, als würde er uns auf den Gipfel des Wissens führen – nur leider ohne Karte. Du versuchst, dir die Namen dieser Folien zu merken, um später ein Thriller-Drehbuch zu schreiben: „Die vergessenen Grafiken von 2025“.

Die PowerPoint-Präsentation: Deine Augen haben schon so oft versucht, sie zu entwirren, als würdest du ein verschlüsseltes Buch entschlüsseln, das niemand je lesen wird. 98 Prozent dieser Folien hat er selbst nie verstanden. Aber du, der Detektiv im Raum, siehst jedes Bild, jede Zahl und jeden noch so unsinnigen Punkt als kleinen Hinweis auf das größte Mysterium dieses Raumes: Warum sind wir überhaupt noch hier? Was könnte dieser Vortrag über das Zahlenchaos wirklich für uns bedeuten? Und wieso zur Hölle trägt unser Chef, der nach 12 Jahren Berufserfahrung immer noch nichts versteht, so einen Anzug?

Ja, der Raum. Der Raum, der nach billigem Plastik riecht und in dem der monotonen Sirenengesang der Deckenleuchten in deinen Ohren hallt. Es könnte genauso gut ein Fernsehstudio im Jahr 2090 sein. Die Fenster sind verdeckt, die Blinds haben den Charme eines verlassenen Hotels. Der Tisch – aus billigem Holz – ist überladen mit Kaffeebechern, die wie schüchterne Zeugen von Büroangst aussehen. Neben dir sitzt Peter. Oder war es Klaus? Nein, du hast vergessen, wer er ist. Vielleicht hat er auch schon selbst aufgegeben und überlegt, sich umzubringen – was in diesem Moment nicht mal eine schlechte Idee wäre, wenn er dazu tatsächlich noch fähig wäre.

Und dann kommt der Moment, der dein Leben verändert – der Wendepunkt dieser Besprechung. Der Chef will uns das „große Ganze“ präsentieren. Die Präsentation fliegt fast so schnell über den Bildschirm, dass du sicher bist, sie wurde von einer fremden Intelligenz erstellt, die mit uns Menschen herzlich wenig zu tun hat. 15 Folien – und du bist sicher, der Boss hat nie eine einzige dieser Zahlen wirklich gecheckt. Du kannst den Schweiß auf seiner Stirn riechen. Wäre es nicht schön, wenn jemand das endlich mal anspricht? Doch du bist dieser jemand, oder besser gesagt, du bist der Einzige, der der Stille entgegenwirkt.

Du bist die einzige Person, die dieser Präsentation nicht einfach zustimmt, sondern die wahre Tragödie des Moments versteht. Wie ein Kinogänger, der mit fünf Stunden Filmvorführung klarkommen muss, aber nur den ersten Teil gesehen hat – und trotzdem jeder glaubt, du bist der einzig wahre Fan der Story. Was, wenn die Wahrheit so unwahr ist wie der Anzug des Chefs? Was, wenn du derjenige bist, der alle kleinen Geheimnisse des Lebens entdeckt? All diese Gedanken fliegen durch deinen Kopf wie ein Film aus deiner Jugend, den du immer und immer wieder gesehen hast, ohne den tieferen Sinn zu begreifen. Und dann – der Höhepunkt: Die Folie, die er endlich „gespeichert“ hat, wird durch eine ellenlange Erklärung erklärt, die genauso viel Bedeutung hat wie ein durchsichtiger Regenschirm im Winter.

Aber du – du bist der, der in diesem Moment die Augen aufreißt. Du bist der, der nicht nur die Fallstricke des Chef-Universums entlarvt, sondern sie mit einer geschickten Mischung aus Sarkasmus und subtiler Dramatik beantwortet. Der Blick, den du dabei von deinem Kollegen erhältst, ist der einer tiefen Bewunderung. Du hast es geschafft, der wahre Held dieser Besprechung zu werden. Einzigartig, unverwechselbar. Niemand – kein PowerPoint, kein Chef, keine unschuldigen Kollegen – kann dir das Wasser reichen.

„Und was bedeutet das alles für uns?“, fragt der Chef plötzlich, als hätte er soeben die Lösung für die Weltwirtschaftskrise gefunden. Die Antwort, die in deinem Kopf brodelt, ist ein „Nicht viel“, aber du bist höflich. Du nickst, als hättest du die größte Erkenntnis des Jahrhunderts empfangen. Und während du dabei bist, zu nicken, weißt du: Du bist mehr als dieser Raum. Du bist mehr als diese 98 Prozent an PowerPoint. Du bist der einzige Überlebende eines unfreiwilligen Kampfes – und ja, du wirst noch eine Weile damit prahlen können.

Du schließt deine Augen und denkst an den letzten Kaffeebecher auf dem Tisch, der ein ständiger Begleiter dieser ewigen Tage ist. Du weißt, die wahre Belohnung für diesen Moment ist das Gefühl, wirklich zu wissen, was passiert. Du bist der König dieser Langweiligkeit, der Herrscher der Unverständlichkeit. Und das ist gut so.

Zitat des Tages:
„Die wahre Meisterschaft liegt nicht darin, die Präsentation zu verstehen – sondern darin, sie zu überstehen.“

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