Das Omnifaktum – Kapitel 10: Die Mauern von Troja

Purple Lighting Quote Wallpaper (6)
Lesedauer 8 Minuten

Kapitel 10: Die Mauern von Troja

Die gleißenden Lichtstrahlen des goldenen Armbands spannten sich wie ein mächtiger Bogen über den Himmel und tauchten die Gruppe in ein blendendes, fast übernatürliches Licht. Als der Sog der Welle sie in eine andere Welt entließ, war die Wärme des sandigen Bodens sofort unter ihren Füßen spürbar, während die salzige Frische der Meeresbrise sanft ihre Haut streichelte. Vor ihnen erhoben sich die gewaltigen Mauern von Troja – ein Monument aus goldschimmerndem Stein, das mit der Kraft der Jahrtausende zu kämpfen schien und sich trotzig gegen die Zeit stemmte. Die Stadt, von Legenden durchzogen, schien wie aus dem Nichts emporzuwachsen, als sei sie eben erst aus den Tiefen der Geschichte aufgetaucht.

Lyra spürte, wie sich ihr Kleid von selbst an die Umgebung anpasste. Es war ein elegantes Gewand, gefertigt aus feinster Seide, mit goldenen Fäden durchzogen, die im Sonnenlicht fast lebendig zu glänzen schienen. In diesem Moment fühlte sie sich wie eine Göttin aus den antiken Erzählungen. Solan trug eine tiefblaue Robe, deren feine Stickereien den Himmel über Troja nachahmten, in dem sich die Sterne in komplexen, funkelnden Mustern verwebten. Kai, der unerschütterliche Krieger, war in eine schlichte Tunika gehüllt, die von robuster Lederrüstung geschützt wurde – ein Krieger, der von den alten Legenden der Trojaner zu stammen schien.

Doch das auffälligste Detail war das goldene Armband, das Lyra fest um ihr Handgelenk trug. Es war weit mehr als nur ein Schmuckstück – es war das Omnifaktum, das Artefakt, das sie auf ihren Reisen durch die Zeiten begleitete. „Ist das wirklich Troja?“ flüsterte Lyra ehrfürchtig, ihre Augen ruhten auf den gewaltigen Mauern, die sich vor ihr erhoben. Ihre Sinne nahmen jede Nuance der Stadt auf – der salzige Wind, die warmen Sonnenstrahlen und das ferne Rauschen des Meeres, das wie ein lebendiger Begleiter klang.

„Ja“, antwortete Solan leise, „die Stadt, von der Homer sang. Der Ort, an dem Götter und Helden einander begegneten und die größten Legenden geboren wurden. Troja ist nicht nur ein Ort der Macht, sondern auch der Täuschung und des Krieges. Ein Ort voller Geheimnisse, die sich unserer Vorstellungskraft entziehen.“

„Und was genau sollen wir hier tun?“ fragte Kai, seine Augen verengt, während er die weite Ebene vor sich musterte, die von den Mauern der Stadt flankiert wurde. Die unendliche Stille der Umgebung schien die Frage nur noch drängender zu machen.

„Priamos“, sagte Thorin plötzlich. Sein Erscheinen war ebenso unerwartet wie der Windstoß, der mit ihm kam – ein Wirbel aus Sand und Licht, der sich sofort legte, als er in einem Gewand aus feinsten, trojanischen Symbolen und einem goldenen Lorbeerkranz auf dem Haupt vor ihnen stand. „Willkommen in Troja“, sagte er, ein beinahe verschwörerisches Lächeln auf den Lippen. „Ihr seid hier, um Priamos zu finden. Er ist der Hüter des nächsten Fragmentes der Chronoskala.“

„Und was genau ist dieses Fragment?“ fragte Kai misstrauisch, während er seine Augen weiter über die weite Ebene und die aufragenden Mauern wandern ließ. „Was genau können wir hier wirklich erwarten?“

Thorin trat einen Schritt vor, und der Wind ließ sein Gewand fließen, als die majestätischen Mauern Trojas sich hinter ihm abzeichneten. „Ihr werdet mehr erfahren, wenn ihr die Stadt betretet. Doch seid vorsichtig. Troja ist kein gewöhnlicher Ort. Hier treffen die Götter auf die Menschen, und was wir als sicher erachten, kann sich in den Tiefen der Stadt als trügerisch erweisen. Bereitet euch auf das Unerwartete vor.“

Lyra blickte auf das goldene Armband an ihrem Handgelenk. Es war mehr als nur ein Begleiter – es war ein Schlüssel. Das Omnifaktum hatte die Kräfte der Chronoskala, der Zeitwelle und vieler anderer Artefakte in sich aufgenommen, und mit jeder Reise, die sie unternahm, wuchs seine Macht. Es war, als ob das Armband selbst eine Verbindung zu der Geschichte herstellte, die es in sich trug, immer stärker wurde, je weiter sie reisten.

„Komm, wir sollten weiter“, sagte Solan schließlich, seine Stimme ruhig, aber mit einer unterschwelligen Dringlichkeit. „Die Stadt erwartet uns.“

Der Sand unter ihren Füßen knirschte, als sie sich der Stadt näherten. Die warme Luft trug den Duft von Salz und uralter Geschichte, als wäre der Wind selbst ein Hauch vergangener Zeiten. Troja, von einer mystischen Aura umhüllt, schien fast greifbar, als hingen die Geister der Vergangenheit in der Luft. Lyra spürte das pulsierende Armband, das sie um ihren Arm trug, eine unmerkliche, aber kraftvolle Energie durchzogen, die sie noch immer nicht vollständig begreifen konnte.

Lyra, Kai und Solan hatten die Fähigkeit, jede Sprache zu verstehen und zu sprechen, sobald sie in einer anderen Zeit angekommen waren. Das war auch hier in Troja der Fall. Als sie sich dem monumentalen Stadttor näherten, wurden sie von der Atmosphäre der antiken Welt förmlich verschlungen. Die Worte der Menschen, die sie umgaben, klangen fremd, doch als sie ihre Schritte fortsetzten, passte sich ihre Sprache automatisch an, und bald verstanden sie jede Äußerung. Ein weiterer Vorteil des goldenen Armbands.

„Wir sind bereit“, sagte Lyra und blickte ein letztes Mal auf das Armband an ihrem Handgelenk. Das goldene Licht schimmerte im Stadtbild und schien die dunklen Ecken der Geschichte zu erhellen, als würde es sie sicher führen.

Die Geschichte von Helden, Göttern und dem Fall von Troja begann, sich langsam zu entfalten. Doch Lyra wusste, dass das goldene Armband, das sie trug, nicht nur ein Begleiter war – es war der Schlüssel zu einer Macht, die weit über ihre Vorstellungskraft hinausging. In diesem Moment verschmolzen die Chronoskala, die Zeitenwelle und all die anderen Artefakte zu einer Einheit in ihr, und das Armband würde zu einem unaufhaltsamen Zentrum all dessen werden.

Die Prüfungen der Söhne

Die Gruppe betrat die Stadt durch ein gewaltiges, mit Eisenbändern verstärktes Tor. Die Torwächter, in schweren Bronzeharnischen gekleidet, musterten sie mit wachsamem Misstrauen. Kai spürte ihren prüfenden Blick wie ein Gewicht auf seinen Schultern und fragte sich, ob sie wohl Verdacht schöpfen würden. Das Tor öffnete sich knarzend und gab den Blick frei auf eine Stadt, die von Leben pulsierte.

Die Straßen waren gesäumt von engen Reihen steinerner Gebäude, deren Wände mit bunten Wandmalereien verziert waren. Händler riefen lautstark ihre Waren aus – exotische Gewürze, fein gewebte Stoffe und funkelnde Edelsteine –, während Kinder lachend zwischen den Marktständen umher tollten. Der Duft von gebratenem Fleisch und süßem Honigwein hing schwer in der Luft, vermischt mit dem leisen Klang von Flöten und Trommeln, die aus einer Seitengasse drangen.

„Priamos lebt im höchsten Turm der Stadt“, erklärte Thorin mit ruhiger Stimme, die die Gruppe aus ihrer stillen Bewunderung riss. „Doch er ist nicht allein. Seine Söhne, Hektor und Paris, werden euch prüfen, bevor ihr zu ihm gelangen könnt.“

Kai verzog das Gesicht und murmelte sarkastisch: „Natürlich. Einfach anklopfen wäre ja auch zu unkompliziert.“

Lyra, die das goldene Armband an ihrem Handgelenk unbewusst berührte, warf ihm einen strengen Blick zu. „Wir sind nicht hier, um zu streiten“, sagte sie leise, doch ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton.

Die Gruppe bahnte sich vorsichtig ihren Weg durch das lebhafte Gewirr aus Menschen und Tieren, bis sie schließlich vor dem Turm standen. Er ragte hoch in den Himmel, aus großen Steinen erbaut, die im Licht der untergehenden Sonne wie geschmolzenes Gold schimmerten. Zwei Männer warteten vor dem schweren Eingangstor, flankiert von einer Gruppe von zwölf Soldaten in kunstvoll verzierten, goldenen Rüstungen. Die Soldaten hielten ihre Speere so ruhig, dass sie wie Statuen wirkten – bis auf ihre wachsamen Augen, die jeden Schritt der Neuankömmlinge verfolgten.

Hektor, ein breitschultriger Mann mit einem markanten Gesicht und Augen, die gleichermaßen Härte und Weisheit verrieten, stand mit verschränkten Armen da. Sein jüngerer Bruder Paris, schlanker und mit einem verschmitzten Lächeln, ließ seinen Blick über die Gruppe wandern. Doch hinter seiner scheinbaren Gelassenheit lauerte eine gefährliche Intelligenz.

„Wer wagt es, den König zu stören?“ fragte Hektor mit tiefer, resonanter Stimme und legte demonstrativ die Hand auf den Knauf seines Schwertes.

Lyra trat vor, ihre Augen fest auf Hektor gerichtet. „Wir kommen in einer dringenden Angelegenheit. Es geht um die Chronoskala – und die Rettung der Zeit selbst.“

Paris hob eine Augenbraue und lachte leise. „Große Worte für Fremde. Beweist, dass ihr ihrer würdig seid, dann gewähren wir euch Einlass.“

Hektor und Paris forderten die Gruppe auf, sich getrennten Prüfungen zu stellen. Der ältere Bruder wählte Kai für ein Duell aus, bei dem sowohl Kraft als auch Geschick gefragt waren. Sie standen einander in einem Sandkreis gegenüber, in der Hand je ein babylonisches Schwert. Hektors erste Angriffe waren unbarmherzig, seine Bewegungen präzise und kraftvoll. Doch Kai, schneller und unorthodox in seiner Technik, wich geschickt aus und nutzte den Moment, um Hektor zu entwaffnen. Der große Krieger hielt inne, sein Atem schwer, und nickte Kai respektvoll zu. „Du hast meine Stärke erkannt – und deine Klugheit genutzt. Du bist würdig.“

Paris hingegen führte Lyra und Solan in eine düstere Kammer, deren Wände mit unzähligen, fein eingeritzten Schriftzeichen bedeckt waren. Eine einzige Fackel warf flackerndes Licht auf die Symbole, die Geschichten von Trojas glorreicher Vergangenheit erzählten. Paris lächelte verschmitzt. „Hier liegen die Geheimnisse verborgen. Wenn ihr klug genug seid, findet den Weg hinaus.“

Lyra kniete sich hin und begann, die Inschriften zu lesen, während Solan mit kritischem Blick die Symbole analysierte. Ihre Stimmen flüsterten leise, während sie die Rätsel entschlüsselten. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, schoben sie gemeinsam eine verborgene Steinplatte beiseite. Die Wand vor ihnen öffnete sich knirschend und enthüllte einen schmalen Durchgang.

Paris trat näher, betrachtete die beiden mit einem anerkennenden Nicken und sagte: „Ihr habt meinen Respekt gewonnen. Ihr dürft passieren.“

Als die Gruppe durch das Portal schritt, das zum König führte, spürte Lyra, wie das Armband an ihrem Handgelenk leicht zu pulsieren schien, als ob es auf die Nähe des Artefakts der Chronoskala reagierte. Eine Ahnung kroch in ihre Gedanken – dies war erst der Anfang.

Das Treffen mit Priamos

Die prunkvolle Halle, in der der alte König wartete, war ein Meisterwerk antiker Architektur. Säulen aus schimmerndem Marmor erhoben sich zu einer Kuppel, die in purem Gold erstrahlte. Das Licht, das durch kunstvoll gestaltete Öffnungen einfiel, tanzte in fließenden Mustern über den polierten Boden. Priamos saß erhaben auf einem Thron, der mit detaillierten Schnitzereien von Göttern und Legenden verziert war. Seine Augen, klar und durchdringend, schienen die Wahrheit hinter jedem Blick zu erkennen. Neben ihm ruhte eine Truhe, deren geheimnisvolles Leuchten die Blicke der Gruppe magisch anzog – ein weiteres Fragment der Chronoskala.

„Ihr habt eine lange Reise hinter euch“, begann Priamos mit einer Stimme, die gleichermaßen Weisheit und Macht ausstrahlte. „Doch das Fragment fordert mehr als nur Mut. Ihr müsst beweisen, dass ihr würdig seid, es zu tragen.“

Mit einer feierlichen Geste wies er auf die Truhe. In diesem Moment begann der Raum, sich zu verändern. Die massiven Mauern lösten sich auf wie Nebel im Sonnenlicht, und plötzlich fanden sie sich inmitten einer tobenden Schlacht wieder. Trojanische Krieger und griechische Helden kämpften erbittert um sie herum, ihre Schreie mischten sich mit dem ohrenbetäubenden Klirren von Schwertern und Schilden. Der metallische Geruch von Blut lag schwer in der Luft, während Staub und Rauch die Sicht trübten.

Kai duckte sich instinktiv, als ein Speer knapp an seinem Kopf vorbeizischte. „Was sollen wir tun?“ rief er, seine Stimme voller Dringlichkeit.

„Finde die Wahrheit in der Täuschung“, ertönte Lyras Armband. Das goldene Band an ihrem Handgelenk glühte intensiver als je zuvor und schien die Spannung der Szene in sich aufzunehmen.

Lyra schloss die Augen und atmete tief ein, während sie versuchte, die chaotischen Eindrücke um sie herum zu ordnen. In der Dunkelheit ihrer Gedanken spürte sie eine Störung, einen Bruch in der Realität. Das Gefühl wuchs, bis es sich zu einer Gewissheit verdichtete: Sie waren gefangen – in einer Illusion. Mit einem konzentrierten Ausbruch reiner Willenskraft riss sie die trügerische Szenerie auseinander. Die tosende Schlacht verblasste, und die goldene Halle kehrte zurück.

Priamos lächelte zufrieden und nickte. „Ihr habt euren Wert bewiesen. Nehmt das Fragment – und führt eure Mission mit Ehre weiter.“

Als Lyra das leuchtende Fragment an sich nahm, spürte sie die überwältigende Energie der Chronsskala durch ihren Körper strömen. Das Armband an ihrem Handgelenk pulsierte, und als sie es an das Fragment hielt, verschmolzen die beiden mit einer fast übernatürlichen Eleganz. Ein warmes, golden-violettes Licht erfüllte den Raum, während das Armband sich in seiner Macht erweiterte. Lyra fühlte eine ungeahnte Stärke in sich aufsteigen, die sie gleichermaßen ehrfürchtig und bestärkt zurückließ.

Thorin trat vor und betrachtete sie mit einem Blick voller Respekt. „Ihr habt erneut bewiesen, dass ihr dieser Mission gewachsen seid. Doch der Weg vor euch ist noch lang.“

„Wohin führt uns die Reise jetzt?“ fragte Solan, dessen Stimme leise, aber voller Entschlossenheit war.

„Nach Alexandria“, antwortete Thorin. „In die große Bibliothek – einen Ort, an dem Wissen und Macht untrennbar miteinander verbunden sind.“

Die Luft um sie herum begann zu vibrieren, als sich die Zeit erneut um sie wölbte. Die prächtigen Mauern von Troja verblassten, und sie spürten den Sog der nächsten Ära. Die Reise ging weiter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert