„Ablenkung? Du machst das doch auch!“

"ablenkung? Du Machst Das Doch Auch!"
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„Ablenkung? Du machst das doch auch!“

Du stehst in einem Raum, der fast wie ein absurdes Theaterstück anmutet. Es ist ein Wohnzimmer, das irgendwie alles gleichzeitig ist: dein Zufluchtsort, dein Schlachtfeld und der Ort, an dem du den berühmten inneren Frieden suchst – und nie findest. Die Wände sind ein verblasstes Beige, das irgendwann mal „modern“ war, und die Couch, auf der du sitzt, fühlt sich an wie ein Relikt aus der Zeit, als man dachte, Kord sei das ultimative Stoffgeheimnis. Vor dir steht ein halbvoller Kaffee, der schon wieder kalt geworden ist – passend zu deiner Stimmung.

Du fragst dich, warum diese verdammte Diskussion schon wieder so aus dem Ruder läuft. Dein Gegenüber – lass uns ihn „Tim der Themenwandler“ nennen – sitzt dir gegenüber, ein breit grinsendes Mysterium. Tim trägt eine abgewetzte Lederjacke, die so aussieht, als hätte sie in einem anderen Leben einen Harley-Fahrer gekannt. Seine Augen sind wachsam, aber auch irgendwie ausweichend. Du merkst, wie er dir gerade wieder einen verbalen Curveball zugeworfen hat, und fragst dich, ob du ihm auf die Schliche kommst.

„Warum geht’s hier plötzlich um Avocados?“
Gerade eben ging es noch um die Frage, warum er nie seine Aufgaben im Büro erledigt. Eine simple Frage, sollte man meinen. Aber Tim ist ein Meister der Ablenkung. Bevor du dich versiehst, diskutierst du mit ihm, ob Avocados wirklich nachhaltiger sind als heimische Äpfel. Du merkst gar nicht, wie du langsam den Faden verlierst, und das nervt dich. Aber es ist nicht nur Tims Schuld, oder?

Kleiner Spiegelmoment:
Seien wir ehrlich, du bist nicht besser. Erinnerst du dich an letzte Woche, als du beim Chef erklären solltest, warum das Projekt noch nicht fertig ist? Und was hast du gemacht? Oh, genau: Du hast mit einer epischen Erzählung über den Drucker angefangen, der ständig Papierstau hat, und irgendwann war die Zeit um. Glückwunsch. Themenwechsel, Level: Profi.

Zurück zu Tim.
Er lehnt sich zurück, seine Hände um eine dampfende Tasse Tee gelegt, der so duftet, als hätte er gerade einen Wellnessurlaub in der Tasse. „Weißt du, das Problem mit den Leuten heutzutage ist, dass sie nie zuhören“, sagt er mit einer Stimme, die sowohl anklagend als auch beruhigend klingt. Du willst widersprechen, aber bevor du den Mund aufmachen kannst, hat er schon ein neues Thema gefunden. Dieses Mal geht es um die Frage, ob Hunde träumen.

„Hunde? Wirklich jetzt?“
Dein Gehirn schreit: Fokus! Aber irgendwie hörst du dich schon sagen: „Ich glaube, sie träumen von Knochen und Eichhörnchen.“ Und da bist du wieder, mitten in einer Diskussion, die weder dich noch Tim wirklich weiterbringt, aber hey, sie lenkt euch beide perfekt ab.

Warum machen wir das?
Die Wahrheit ist unangenehm: Wir hassen Konfrontation. Ob es die Schuld am Arbeitsplatz ist, ein Streit mit dem Partner oder die unangenehme Wahrheit, dass wir unser Leben nicht immer im Griff haben – Themenwechsel sind unsere Rettungsboje in einem Meer aus unbequemen Fragen. Und ja, es fühlt sich kurz gut an, aber danach? Danach bist du wieder hier, mit einem kalten Kaffee und der Erkenntnis, dass du nichts gelöst hast.

Was jetzt?
Du könntest natürlich versuchen, Tim beim nächsten Mal in die Enge zu treiben. „Nein, wir reden jetzt über das eigentliche Problem!“ Aber Hand aufs Herz: Wie oft hast du das bei dir selbst hinbekommen? Genau. Vielleicht ist der Trick gar nicht, das Ablenken zu bekämpfen, sondern zu verstehen, warum es passiert.

Manchmal lenken wir ab, weil wir Angst haben, die Antwort nicht zu kennen. Manchmal, weil wir die Wahrheit nicht hören wollen. Und manchmal – wie jetzt, während du diesen Text liest – weil wir einfach nur eine Pause vom Ernst des Lebens brauchen.

Am Ende des Tages bleibt eines klar: Ob du der Themenwechsler bist oder das Opfer davon, das wahre Problem löst sich nicht von allein. Aber hey, zumindest kannst du jetzt sagen, dass du einen verdammt guten Artikel darüber gelesen hast.

Zitierenswert: „Themenwechsel sind wie Donuts – verlockend, aber am Ende bleibt nur ein Loch.“

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