Du stehst am Rande eines Abgrunds, nicht buchstäblich, aber gedanklich. Dein Herz pocht in einem Rhythmus, der sich anhört wie der unerbittliche Trommelschlag in einer Arena. Deine Finger krallen sich in das kalte Metall des Treppengeländers, und ein Lächeln huscht über dein Gesicht, das nicht die geringste Freude widerspiegelt, sondern den Triumph der schieren Überlegenheit. Du hast es wieder geschafft. Wieder jemanden besiegt. Aber die Schwere in deiner Brust bleibt. Warum nur? Was suchst du wirklich?
Neben dir steht Jonas, dein ewiger Widersacher. Er trägt einen taillierten grauen Anzug, die Manschettenknöpfe blitzen im Licht der Deckenlampen wie schweigende Waffen. Seine Augen sind eisblau, fast durchdringend, aber nicht ohne jene Spur von Unsicherheit, die man so oft bei Menschen findet, die selbst an der Spitze wanken. Sein Lächeln ist ein perfekter Halbmond, charmant und kalt zugleich. Auch er spürt den Druck, das weißt du.
Der Raum um dich herum ist ein Labyrinth aus Glas und Chrom. Konferenzräume mit milchigen Scheiben reihen sich wie Zellen aneinander. Das Summen der Klimaanlage füllt die Leere zwischen den Gesprächen. Es riecht nach frisch Gebratenem. Es riecht nach frisch gebrühtem Kaffee, nach Leder und Erfolg. Aber der Erfolg, den du hier atmest, ist schal und bitter. Du ziehst an deinem Jackett, das perfekt sitzt – tiefdunkelblau, fast schwarz – und merkst, wie sich die Knöpfe kalt an deine Fingerspitzen pressen.
Jonas spricht mit jemandem, den du nicht kennst, und du hörst nur Bruchstücke. „Marktanteile … Disruption … exponentielles Wachstum“. Alles Buzzwords, alles leere Hülsen. Dein Blick schweift ab, hinaus durch die Fensterwand, die den Raum mit Licht durchflutet. Vor dir liegt die Stadt, ein endloser Teppich aus Stahl und Glas. Dort unten leben Menschen, die keinen Wettbewerb kennen. Menschen, die einfach sind. Der Gedanke schneidet wie eine Klinge in deine Gedanken. Könntest du das sein? Einfach sein?
Aber du bist hier. Hier oben. Wo Luft und Raum dünn werden. Wo es nur Platz für Gewinner gibt.
Das Handy summt in deiner Tasche. Ein kurzer Blick: Es ist eine Einladung zum Essen. Eine weitere Gelegenheit, dich zu beweisen. Du seufzt innerlich, während deine Finger die Nachricht wegwischen und dein Gesicht zur Maske wird. Hier, im Auge des Tornados, ist kein Platz für Zweifel.
Später am Abend bist du allein. Deine Wohnung, ein Bollwerk aus Beton, Stahl und Glas, ist so makellos wie ein steriler Operationssaal. Aber sie atmet nicht. Keine Spur von Leben, nur
Gegenstände, die nach Perfektion schreien. Der Wein, den du einschenkst, glänzt wie flüssiger Rubin, und doch schmeckt er nach nichts. Du starrst auf den Tisch vor dir, auf die zerknitterten Papiere mit den Zahlen, die dein Leben bestimmen. Irgendwo in dir spürst du eine Leere, die sich nicht füllen lässt. Kein Sieg, kein Gewinn, keine Anerkennung kann sie füllen.
Du denkst an Jonas. Du denkst an den Moment, als du ihn überholt hast. Sein Lächeln war nicht echt, das hast du gesehen. Aber war deins echt? Du erinnerst dich an die Tage ohne all das – ohne die Glaspaläste, ohne die Wettkämpfe, ohne den ständigen Druck, mehr zu sein als du bist. Und ein leiser Gedanke nistet sich ein: Vielleicht reicht es, einfach zu sein.
In diesem Moment, in dem die Lichter der Stadt durch deine bodentiefe Fensterwand flimmern, fällt dir ein, was du gelesen hast: „Man kann nicht gewinnen, wenn das Spielfeld eine Illusion ist“. Und mit diesem Gedanken lässt du das Weinglas los, siehst zu, wie es über die Tischkante kippt und der Wein eine dunkle Spur auf dem makellosen Teppich hinterlässt. Chaos, denkst du. Endlich etwas Echtes.
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