Wie Präsenz dein Umfeld verändern kann
An einem warmen Frühlingstag im April betrat Leona ihre neue Arbeitsstelle in einer städtischen Verwaltungsbehörde in Hannover. Leona, 32 Jahre alt, trug einen leichten, hellblauen Hosenanzug, ihre Haare zu einem lockeren Dutt gebunden. Sie hatte in den letzten Jahren als Verwaltungsfachangestellte in Köln gearbeitet, doch die neue Stelle versprach mehr Verantwortung – und die Herausforderung, ein zerstrittenes Team wieder zusammenzubringen.
Schon am ersten Tag bemerkte sie: Hier ging es nicht nur um Anträge, Paragraphen oder Bearbeitungsfristen. Hier ging es um zwischenmenschliche Spannungen, eingefrorene Dynamiken – und eine tiefe kollektive Erschöpfung.
Die unsichtbare Macht deiner Ausstrahlung
Leona fiel nicht durch übertriebene Freundlichkeit auf. Sie war einfach „da“. Wenn sie sprach, hörte man zu. Wenn sie schwieg, war ihr Schweigen nicht leer, sondern aufmerksam. Diese Präsenz war der Beginn eines Wandels.
Die Psychologin Amy Cuddy wies in einer viel beachteten Studie darauf hin, dass Präsenz – also die bewusste Anwesenheit im Moment – nicht nur unsere Wahrnehmung durch andere verändert, sondern auch unsere Selbstwahrnehmung. Menschen, die präsent sind, wirken glaubwürdiger, vertrauensvoller und kompetenter.
Warum kollektive Resonanz mehr ist als Harmonie
In Leonas Team arbeiteten 17 Personen – darunter alteingesessene Verwaltungsbeamte, wie der 54-jährige Uwe, und junge Berufseinsteiger wie Timo, 23, der gerade frisch aus der Fachhochschule kam. Jeder arbeitete für sich, Meetings verliefen im Schweigen. Bis Leona begann, anders zuzuhören.
Sie stellte Fragen, nicht um zu kontrollieren, sondern um zu verstehen. Sie lachte nicht über Witze, sondern über Erinnerungen. Sie sprach mit Menschen, nicht mit Rollen.
Und allmählich begann das Team zu „resonieren“ – ein Begriff, den der Soziologe Hartmut Rosa prägt. Resonanz ist mehr als Harmonie. Sie bedeutet, in Beziehung zu treten. Die Welt antwortet uns. Und plötzlich antworteten sich auch die Kolleginnen und Kollegen. Sie begannen, sich gegenseitig zu sehen.
Der Unterschied zwischen Reaktion und Resonanz
In einem Gespräch mit dem Hausmeister der Behörde, einem schlichten, aber hellwachen Mann namens Dirk, fiel der Satz: „Weißt du, Leona, früher hab ich jeden einfach nur gegrüßt. Jetzt frage ich mich, wie’s demjenigen geht.“
Es war ein kleiner Satz. Doch er stand exemplarisch für die Veränderung, die durch echte Präsenz entstehen kann.
Viele Menschen reagieren nur noch. Sie antworten auf E-Mails, sie reagieren auf Stimmungen, sie lassen sich treiben. Resonanz hingegen bedeutet, sich innerlich zu verbinden. Die moderne Hirnforschung zeigt: Spiegelneuronen aktivieren sich nur, wenn echte Emotionen im Spiel sind. Präsenz ist der Katalysator.
Die Rolle der Umgebung für Präsenz
Der kleine Pausenraum in Leonas Amt war grau, mit alten Kaffeemaschinen und durchgesessenen Stühlen. Und doch wurde er zum Resonanzraum. Warum? Weil Menschen begannen, sich darin zu öffnen.
Die Architektin Daniela Brunner beschreibt in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Raum und Wirkung“ (2021), dass selbst unscheinbare Orte Resonanzorte werden können, wenn sie emotional bespielt werden. Menschen geben Räumen Bedeutung – nicht umgekehrt.
Was Handwerker mit Resonanz zu tun haben
Auch außerhalb von Büros oder Verwaltung entsteht Resonanz. Ramon, ein 45-jähriger Fliesenleger aus Hildesheim, erzählte in einem Workshop für Kommunikation: „Ich hab früher die Badezimmer meiner Kunden gesehen, heute sehe ich ihre Geschichten.“
Er meinte das ernst. Ramon sprach mit den Menschen über ihre Lebensphasen, bevor er neue Fliesen auswählte. Und seine Kunden? Fühlten sich gesehen. Nicht als Auftraggeber, sondern als Menschen.
Was es braucht, um wirklich präsent zu sein
Präsenz ist nicht bloß ein Zustand, sondern eine Haltung. Es braucht:
- Verlangsamung: Nur wer innehält, kann wahrnehmen.
- Offenheit: Wer sich selbst schützt, bleibt unverbunden.
- Absichtslose Aufmerksamkeit: Nicht kontrollieren, sondern geschehen lassen.
Ein Übungstipp, den Leona von ihrem Achtsamkeitstraining mitnahm: Drei Minuten am Tag einfach bewusst zuhören, ohne zu werten. Diese kleine Übung veränderte ihre Kommunikation nachhaltig.
Warum wir genau jetzt präsent sein müssen
In einer Zeit von ständiger Erreichbarkeit, Schnelllebigkeit und Dopamin-getriebener Social-Media-Kommunikation wird Präsenz zum radikalsten Akt der Selbstermächtigung. Studien des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (2023) zeigen: Menschen, die bewusst offline-Zeiten einbauen, sind empathischer, stressresistenter und kreativer.
Für Unternehmer, Künstler, Pflegerinnen, Feuerwehrmänner, Lehrerinnen und Startups gilt gleichermaßen: Wer Resonanz erzeugt, erzeugt Wirkung.
Die Geschichte von Nika und Bennet
Nika, 28, Krankenschwester auf einer Intensivstation in Kiel, traf auf Bennet, 35, IT-Techniker, als seine Mutter ins Krankenhaus kam. Nika war keine Frau der großen Worte. Aber sie war da. Sie hörte zu. Bennet, überarbeitet und abgekapselt, begann wieder zu fühlen.
Monate später schrieb er ihr eine Karte: „Nicht die Medizin, sondern dein Dasein hat meine Mutter geheilt. Und mich auch.“
Warum Resonanz nie geplant, aber immer gespürt wird
Der Resonanzforscher Prof. Dr. Christian Hübel beschreibt: „Resonanz ist nie instrumentell. Sie lässt sich nicht machen, aber sie lässt sich zulassen.“
Das bedeutet: Wir können Resonanz nicht „machen“ – aber wir können Bedingungen schaffen, damit sie entsteht. Und die wichtigste dieser Bedingungen ist Präsenz.
Was du sofort tun kannst, um Resonanz zu stiften
- Stelle Fragen, auf die du keine Antwort weißt.
- Schaue deinem Gegenüber 3 Sekunden länger in die Augen.
- Versuche, heute bei einem Gespräch einfach nur da zu sein.
- Setze dich 10 Minuten am Tag in Stille und beobachte, was geschieht.
Diese einfachen Praktiken öffnen das Tor zur Resonanz.
Tipp des Tages: Setze dich heute für genau 3 Minuten in einem Gespräch bewusst zurück. Sprich nicht. Höre nur zu. Spüre, was sich dadurch im anderen und in dir selbst verändert. Präsenz beginnt in der Stille.